Rede im Kreistag zur Tariftreue kreiseigener Unternehmen

Meine sehr geehrten Kollegen Kreistagsabgeordnete, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD,

für eine Partei, die aus der Arbeiterbewegung entstanden ist, die seit Jahrzehnten unbestreitbar die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der Gewerkschaften in Deutschland war, geht es an dieser Stelle nicht allein um den Inhalt unseres Antrages, es geht um die Glaubwürdigkeit sozialdemokratischer Politik. Sie werden mir sicher nicht widersprechen, wenn ich sage, dass es Ihrer Programmatik als Sozialdemokratische Partei Deutschlands entspricht, sich für die Tariftreue möglichst vieler Unternehmen und für eine Ausbildungsquote einzusetzen. Die von Ihnen geforderte Ausbildungsumlagefinanzierung sei hier nur am Rande erwähnt.

Umso überraschter waren wir, als wir lesen mussten, dass unser Änderungsvorschlag zur Hinwirkung auf Tariftreue  bei kreiseigenen und kreisbeteiligten Gesellschaften von der SPD-geführten Verwaltung abgelehnt wird mit der Begründung, dies  würde in die unternehmerische Verantwortung dieser Gesellschaften eingreifen. Ja, meine Damen und Herren, also vielleicht habe ich da ja bisher was falsch verstanden, aber die Tätigkeit der Gewerkschaften und der Abschluss von Tarifverträgen greift zwingend immer in unternehmerische Entscheidungen ein. Das ist die Aufgabe von Gewerkschaften und das ist der Sinn des Tarifsystems in diesem Land. Es geht darum, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Interessenvertretung zu sichern, die in ihrem Namen mit den Unternehmen oder Unternehmensverbänden über Arbeitsbedingungen, Lohn, Urlaubsansprüche usw. verhandelt. Und es geht darum, dass die Beschäftigten nicht dem  ungezügelten Gewinnstreben der Unternehmen im modernen Kapitalismus zum Opfer fallen.  Es geht um faire Löhne in einer sozialen und gerechten Wirtschaftsordnung. Mit der bereits zitierten Begründung der Kreisverwaltung könnte man auch gleich die Gewerkschaften abschaffen, das wäre die Konsequenz, wenn man es weiter denkt.

Oder wollte uns die Kreisverwaltung damit sagen, dass man Tariftreue ja eigentlich wichtig finde, aber doch bitte nicht bei den eigenen Unternehmen. Das allerdings würde bedeuten, Wasser zu predigen und Wein zu saufen. Bei der freien Wirtschaft  wirken wir darauf hin, dass sie sich dem Tarifsystem anschließt, bei uns selbst, da wo wir als Politik entscheiden können, da wo wir direkten Zugriff haben, da tun wir es nicht. Glaubwürdige Politik sieht anders aus. Und verantwortungsvolles Unternehmertum, das sich der Landkreis in der Überschrift zu diesem Abschnitt selbst bescheinigt, übrigens auch. Von der sozialen Verantwortung ganz zu schweigen.   

Ich hätte von der Sozialdemokratie einen Aufschrei erwartet ob dieser Argumentation der Kreisverwaltung, vor allem weil ja auch die SPD als Veränderungsvorschlag zum Strategiepapier die Aufnahme der Tariftreue eingebracht hatte. Doch weit gefehlt, im Kreisausschuss haben, nachdem die SPD diesen Antrag zurückgezogen hatte,  nacheinander Herr Schröder, Herr Ernst und Frau Vollbrecht  erklärt, warum der Grundsatz ja stimme, aber doch bitte nicht hier bei uns im Kreis.

Und – das will ich hier zumindest noch erwähnen – es geht hier auch nicht um irgendein kleines unbedeutendes Unternehmen. Es geht bspw. um die Havellandkliniken GmbH, die im Jahr 2006 den Tarifvertrag aufgelöst und für die nichtärztlichen Beschäftigten keinen neuen abgeschlossen hat. Und wir reden auch nicht über einen Einzelfall hier im Kreis, da bspw. auch die Arbeitsförderungsgesellschaft Premnitz, an der der Kreis Anteile hält, nicht mehr tarifgebunden ist, nachdem sie 2007 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist und den Tarifvertrag gekündigt hat.

Meine Damen und Herren, Tariftreue und eine Ausbildungsquote von 5% sind Forderungen, die die kreiseigenen und kreisbeteiligten Unternehmen sicher nicht überfordern werden. Wir denken, dass der Landkreis als Unternehmer auch eine besondere soziale Verantwortung und eine Vorbildfunktion hat. Wir hoffen, dass der Kreistag sich zu dieser besonderen Verantwortung bekennt und beantragen deshalb namentliche Abstimmung dieses Änderungsantrages.