Rede auf dem Landesparteitag der LINKEN in Brandenburg zum Antrag zur Flüchtlings- und Integrationspolitik

Heute findet der Landesparteitag der LINKEN in Brandenburg statt. Ich habe die Einbringungsrede zu einem Antrag zur Flüchtlings- und Integrationspolitik gehalten, der einstimmig beschlossen wurde. Zu dem Beschluss geht es hier.

Meine Rede dokumentiere ich hier:

“Liebe Genossinnen und Genossen,

Christian hat eben schon einiges zu den aktuellen Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik gesagt. Ich will das gar nicht wiederholen, auch weil ich davon überzeugt bin, dass wir unsere Positionen innerhalb der Partei weitgehend geklärt haben und uns in der Grundausrichtung von der europäischen Ebene bis zur Kommunalebene sehr einig sind. Wir sind uns einig, dass die Fluchtursachen entschieden bekämpft werden müssen und dass die deutsche und europäische Außenpolitik bisher maßgeblich dazu beigetragen hat, dass so viele Menschen das Wagnis einer Flucht aus ihrer Heimat eingegangen sind. Wir sind uns einig, dass die deutschen Waffenexporte endlich gestoppt werden müssen, will man nicht noch mehr Leid und Elend produzieren.

Wir sind uns auch einig, dass Abschreckung und Abschottung an den europäischen und deutschen Außengrenzen nur noch mehr Leid und Tod bringen und niemanden von der Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten abhalten werden.

Wir sind uns einig, dass unsere Antwort auf die Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage eine konsequente Integrationspolitik ist und wir sind uns einig, dass es richtig war, die Asylrechtsverschärfungen auf Bundeseben abzulehnen. Und auch das, was SPD, CDU und CSU auf Bundesebene in dieser Woche an neuen Grausamkeiten verabredet haben werden wir bekämpfen. Besonders schlimm sind die Registrierungszentren mit verschärfter Residenzpflicht und Schnellverfahren, was übrigens nur ein kosmetischer Unterschied zu den Transitzonen ist, für deren Verhinderung die SPD sich jetzt feiert. Perfide ist die Verhinderung von Familiennachzug oder auch die Anrechnung von Integrationskursen auf das soziokulturelle Existenzminimum. Liebe Genossinnen und Genossen, all diese neuen Grausamkeiten werden wir bekämpfen. Auch in diesem Punkt herrscht Einigkeit in der Partei.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich möchte meine Rede deshalb nutzen, um auf die gesellschaftliche Polarisierung, – die gerade stattfindet -, einzugehen. Diese Polarisierung und Radikalisierung versetzt nicht nur mich in höchste Alarmbereitschaft. Wir als LINKE stehen in einer besonderen Verantwortung in dieser gesellschaftlichen Situation.

Seit nunmehr einem Jahr wird unsere Gesellschaft durch PEGIDA heimgesucht. Was anfänglich im politischen Diskurs eher als Randerscheinung in Sachsen behandelt wurde, was zwischendurch fast tot gesagt war, weil es kaum noch Menschen auf die Straße bekam, hat in den vergangenen Wochen wieder neuen Zulauf erhalten. Die gefährliche Ansammlung von Rechtspopulisten und Neonazis im Verbund mit enttäuschten und frustrierten und dem Rechtspopulismus offenen BürgerInnen. Was sich verharmlosend als “besorgte Bürger” bezeichnet hat, hat sich unübersehbar radikalisiert. Längst wird unverhohlen von Geflüchteten als “Pack”, “Viehzeug” und “Invasoren” gesprochen und werden Politiker als “Volksverräter” und “Wahnsinnige” betitelt. Längst werden die HelferInnen der geflüchteten Menschen verhöhnt, beleidigt und beschimpft, längst sind Medien nur noch “Lügenpresse”. Ja, diese Rhetorik erinnert an sehr dunkle Zeiten. Und auch das, was daraus erwächst, denn Sprache beeinflusst das Denken, Sprache beeinflusst den politischen Diskurs und Sprache beeinflusst eben auch die Stimmung in der Bevölkerung. Dies hat zur Verrohung der politischen Kultur geführt und zu einer Polarisierung und Radikalisierung des gesellschaftlichen Diskurses in diesem Land – nicht nur in Sachsen – sondern überall von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern und auch in Brandenburg.

Und: Dieser Hass trägt Früchte. Der Hass des Wortes wird zum Hass der Straße und dieser Hass führt zur Tat. Und mich erschreckt, wie sehr die Schmierereien, Hassparolen, Drohungen und Einschüchterungen, Brandstiftungen und auch Angriffe auf Menschen inzwischen gesellschaftliche Normalität geworden sind. Ja, es gibt noch diejenigen, die laut aufschreien, und doch sind da so viele, die nicht sagen, nein, solche Straftaten haben bei uns keinen Platz und in so einer Gesellschaft wollen wir nicht leben. Fakt ist, es gelingt aktuell nicht, ein gesellschaftliches Klima zu erzeugen, in dem solche Taten geächtet sind, wo einfach klar ist, dass das nicht geht und wer das tut sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsens bewegt. Und das ist das eigentlich gefährliche. Hier werden die Grundfesten unseres Zusammenlebens erschüttert.

Und gleichzeitig – und das macht Hoffnung – gibt es eine solidarische Zivilgesellschaft. Sie handelt und hilft, wo nötig, springt ein, wenn staatliches Handeln nicht ausreicht und stellt sich mutig Rechtspopulisten und Nazis aller Couleur entgegen. Sie verteidigt die Grundfesten unseres Zusammenlebens und zeigt damit auch der Politik den zu beschreitenden Weg: Aktuell hilft nur gemeinsames und entschlossenes Handeln.

Und das gilt auch für die politischen Parteien. In Brandenburg gibt es bisher – bei allem Streit in der Sache, auch in der Asyl- und Flüchtlingspolitik – einen klaren Konsens der demokratischen Parteien gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtspopulismus – im Landtag und im gesellschaftspolitischen Handeln. Und ich bin der festen Überzeugung, dass wir diesen demokratischen Konsens bewahren müssen. Wir brauchen in dieser Situation alle, die bereit sind, für Solidarität, Nächstenliebe, Weltoffenheit und Toleranz eintreten. Und deshalb bin ich froh, dass die CDU in Brandenburg einen klaren Abgrenzungskurs zu den Hetzern der AfD betreibt. Die gesellschaftspolitische Hauptauseinandersetzung verläuft gerade zwischen denen, die Hass und Hetze verbreiten und denen, die das nicht wollen. Wir müssen dafür arbeiten, die weitere Spaltung der Gesellschaft, die weitere Polarisierung und die Verrohung zu verhindern. Wir müssen Menschen gewinnen und dafür auch neue Bündnisse schmieden.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wie oft haben wir über „Anschlussfähigkeit an Zivilgesellschaft“ und „Verankerung vor Ort“ geredet. Wie oft haben wir besprochen, dass wir wieder kampagnenfähig werden müssen. Aktuell können wir feststellen: Wir sind es! Und das ist nicht „von oben“ gesteuert, das ist der Partei, dem Landesverband Herzenssache. Überall im Land. Keine Aktion gegen braune Hetze ohne LINKE! Allein unser Infomobil war in diesem Jahr bisher 40 mal vor Ort bei Gegenaktionen im Einsatz. Und da sind die vielen, vielen Aktionen, bei denen ihr keine Unterstützung des Landesverbands benötigt habt, nicht mitgezählt. Das zeigt: Wir reden nicht nur darüber, dass man Gesicht gegen Rassismus und Fremdenhass zeigen muss, wir tun es!

Und wir tun noch mehr. Überall im Land, sind Genossinnen und Genossen in der Flüchtlingshilfe aktiv. Wir sind verlässliche AnsprechpartnerInnen in den Kommunalfraktionen. Wir helfen, wo wir können. Wir spenden und wir organisieren, wir arbeiten in den Initiativen und Bündnissen, wir sind da, wo Hilfe gebraucht wird. Liebe Genossinnen und Genossen, wir leben Flüchtlingshilfe! Und das meine ich, wenn ich sage, wir sind anschlussfähig an Zivilgesellschaft und zwar vor Ort, in den Städten und Gemeinden.

Das, was wir gerade leisten, hat auch und vor allem etwas mit der Motivation der Genossinnen und Genossen zu tun. Für uns als LINKE ist die aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzung Herzensangelegenheit. Wir wissen, wenn der Hass gesellschaftsfähig wird, wenn es normal wird, dass Brandstiftung quasi Volkssport ist, wenn Hass und Hetze nicht mehr geächtet sind, sondern normaler Bestandteil des politischen Diskurses, dann wird in dieser Gesellschaft all das keinen Platz mehr haben, wofür wir kämpfen: Solidarität, Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Toleranz. Insofern ist das, was wir gerade erleben, auch ein Kampf darum, wie wir in dieser Gesellschaft miteinander umgehen, wie wir miteinander leben. Diesen Kampf zu führen, liebe Genossinnen und Genossen, ist unsere vordringliche gesellschaftspolitische Aufgabe.

Und wir haben noch mehr zu tun. Die aktuelle Situation schafft Verunsicherung in der Gesellschaft. Seit Monaten ist die Rede von „Flüchtlingskrise“, es wird über „Grenzen der Aufnahmefähigkeit“ und dem „Untergang des Abendlands“ schwadroniert. Liebe Genossinnen und Genossen, ja, es gibt eine Krise, eine humanitäre Krise für die flüchtenden Menschen in Deutschland und in ganz Europa und gegen diese Krise muss endlich entschlossen gehandelt werden.

Und natürlich ist es so, dass Politik und Verwaltungen auf die vielen Menschen, die aktuell zu uns kommen, nicht ausreichend vorbereitet waren. Alle Akteure in diesem Land gingen bisher davon aus, dass zukünftig in Brandenburg immer weniger Menschen leben werden. Darauf war Politik, Verwaltung und auch die Wirtschaft jahrelang ausgerichtet. Und auf einmal kommen 30.000 Menschen dazu. Und im kommenden Jahr vielleicht noch einmal so viele. Natürlich stellt das alle Akteure vor neue Herausforderungen. Es muss improvisiert werden. Wir alle sind gerade Lernende und da passieren auch Fehler. Und natürlich schafft das Verunsicherung. Die Sorge, dass der Staat versagt, führt zu einem Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung. Wir tun gut daran, das ernst zu nehmen und mit den Ängsten, die damit verbunden sind, offen umzugehen und den Dialog nicht zu scheuen. Nicht jeder, der Angst und Sorgen hat und das auch laut sagt, ist ein Rassist und Fremdenfeind. Aber diese Verunsicherung kann zu Fremdenfeindlichkeit werden, wenn wir den Rechtspopulisten das Feld überlassen. Deshalb ist unsere Aufgabe, überall wo wir sind, die Diskussion zu suchen und zu versuchen, vorhandene Vorurteile zu entkräften und durch transparente Information Ängste zu nehmen.

Wir sollten nicht den Fehler machen, in die Krisenrhetorik einzustimmen. Aber wir dürfen auch nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Und wir müssen deutlich machen, dass wir als LINKE nicht zulassen werden, dass die Schwächsten dieser Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden.

Aktuell rücken die strukturellen Probleme im Land, die wir kennen und seit Jahren immer wieder benannt haben, stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein: Wohnen, Mobilität, Bildung usw. Es ist eine Chance und ich glaube auch eine Notwendigkeit, dass diese Probleme jetzt verstärkt angegangen werden. Machen wir diese Chancen deutlicher in der politischen Auseinandersetzung. Dazu gehört, dass wir sagen, dass die Buslinie sich wieder lohnt, wenn 50 Menschen zusätzlich im Ort leben, die kein Auto haben. Das kommt dann allen zu Gute. Lasst uns deutlich machen, dass die zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer nicht nur Flüchtlingskinder unterrichten werden und dass die ein oder andere Schule nur deswegen am Netz bleibt, weil eben auch Flüchtlingskinder die Schulklassen im ländlichen Raum auffüllen. Lasst uns dafür sorgen, dass von den notwendigen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau auch diejenigen profitieren, die bisher keine bezahlbare Wohnung gefunden haben.

Im konkreten Handeln ist es unsere Aufgabe, die Lebenssituation aller Menschen zu verbessern, derer, die bereits hier leben, und derer, die aktuell und künftig zu uns kommen. Ich bin der festen Überzeugung: dem Hass und der Verrohung müssen wir Menschlichkeit und Solidarität im Denken, im Reden und im Handeln entgegen setzen.”