Rede im Landtag zum Bericht der Landesregierung „Geschlechterparitätische Regelungen im Landtags- und Kommunalwahlrecht“

Heute fand im Brandenburger Landtag eine Debatte zum Bericht der Landesregierung „Geschlechterparitätische Regelungen im Landtags- und Kommunalwahlrecht“ statt.

Meine Rede, deren Skript ich nachfolgend dokumentiere, ist auch YouTube-Video verfügbar.

„1891 nahm die SPD die Forderung nach dem Frauenwahlrecht in ihr Programm auf. Von da an dauerte es noch 27 Jahre, bis das Frauenwahlrecht auch in Deutschland endlich beschlossen wurde. Vorangegangen waren dem die Gründung des ersten Frauenwahlrechtsvereins 1894, die Internationale Frauenstimmrechtskonferenz 1904, die Aufhebung des Verbots der Mitgliedschaft von Frauen in politischen Vereinen und Parteien 1908 und der Zusammenschluss bürgerlicher und sozialistischer Aktivistinnen für das Frauenwahlrecht 1907, die dem Preußischen Landtag eine gemeinsame Erklärung übergaben, in dem ein allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht für alle gesetzgebenden Körperschaften für Frauen gefordert wurde.

Am 12. November 1918 war es dann so weit, die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts hatte geschlagen und am 19. Februar 1919 hielt die erste Frau, die Sozialdemokratin Maria Juchaz eine Rede in der Nationalversammlung, darin hielt sie fest:

„Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen kann […]. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

Ich habe diese Entwicklung so ausführlich dargestellt, weil sie zeigt, dass es politischer Kämpfe über mehrere Jahrzehnte brauchte, bis Frauen endlich  das  Recht bekamen, wählen zu dürfen und gewählt werden zu können.

Es war von Frauen gefordert, erstritten, erlitten und erkämpft worden, und es wurde von Männern gewährt. Und dieses Stereotyp hat sich bis heute nicht geändert: dass Frauen fordern und Männer gewähren.

Und so fordern wir Frauen heute, wir Frauen aus verschiedenen Fraktionen dieses Hauses, die paritätische Zusammensetzung von Parlamenten.

Der Bericht der Landesregierung, der hier Grundlage der Debatte ist, enttäuscht. In mehrfacher Hinsicht:

Ich fange mit dem für mich enttäuschendsten Punkt an: den der weiteren und ergänzenden Maßnahmen.

Der Landtag hat in seinem Beschluss am 8. März 2018 die Landesregierung aufgefordert, „den Ausbau spezieller Programme und Angebote für eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik zu unterstützen. Erste Maßnahmen, beispielsweise besondere Schulungsmaßnahmen und Mentoringprogramme, sollten rechtzeitig zu den Kommunalwahlen 2019 wirksam werden.“

Der Bericht nennt nicht eine einzige Maßnahme, die seitdem ergriffen wurde, um dem Beschluss des Landtages Rechnung zu tragen. Es wird verwiesen auf Dinge, die die Landesregierung eh schon macht. Mehr aber auch nicht. Und das finde ich wirklich enttäuschend und ich hätte mir hier mehr Engagement erwartet.

Der Bericht enttäuscht aber auch an anderer Stelle: Er sagt auf mehr als 20 Seiten, was alles nicht geht.

Er empfiehlt uns, auf verpflichtende Quotierungen zu verzichten, obwohl er selbst ausführt, dass appellative Soll-Regelungen nicht helfen werden, um den Frauenanteil in Parlamenten und Kommunalvertretungen zu steigern.

Er teilt uns gar mit, dass eine geschlechtergerechte Sprache in den Wahlgesetzen zu großer Aufwand sei und verschoben werden müsse.

Offen gestanden, ich hatte befürchtet, dass der Bericht so ausfällt.

Es war bei allen innovativen und fortschrittlichen Entwicklungen für die Rechte der Frau immer der konservative Teil der Politik und auch ein guter Teil der Juristen, die den Frauen versuchten ihre Rechte vorzuenthalten.

Männer konnten bis 1977 in der Bundesrepublik  entscheiden, ob ihre Frauen arbeiten dürfen oder nicht. Es war ein jahrelanger Kampf, diese diskriminierende Regelung abzuschaffen, trotz des Verfassungsgrundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Bis 1979 durften Frauen keine Polizistinnen werden. Konservative Kreise kämpften bis zuletzt gegen die Öffnung der Polizei für Frauen.

Bis 1997 war Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand.

Ich werde hier nicht aus der Debatte zur Abschaffung dieses Paragraphen zitieren, ich kann Ihnen aber sagen, dass vor allem die Männer der Union es waren, die bis zuletzt diese Zumutung für jede Frau beibehalten wollten.

Es wundert also wenig, dass uns ausführlich im Bericht der Landesregierung erklärt wird, welche Bedenken gegen gesetzliche Paritéregelungen bestehen.

Bei all den genannten Beispielen war es aber auch so, dass sich juristische Einschätzungen wandelten und modernisierten und dass auch die politischen Akteure irgendwann nicht mehr an den Forderungen der Frauen vorbei kamen.

Und deshalb will ich Ihnen hier eines sagen: Es wird der Tag kommen, an dem ein Parlament sich über diese Bedenken hinweg setzt und verpflichtende Paritéregelungen in Gesetzesform gießt.

Und ich hoffe, dass dieses Parlament der Brandenburger Landtag ist. Wir haben die Chance, voran zu gehen!“