Nachgefragt: Versammlungsgeschehen im April und Mai in Brandenburg
Meinen Fraktionskollegen Andreas Büttner und mich hat interessiert, ob der mediale Eindruck stimmte, dass das Versammlungsgeschehen im April und Mai tatsächlich vorrangig von Rechtsextremen bestritten wurde. Die sogenannten Hygienedemos haben eine starke mediale Aufmerksamkeit erhalten. Aber gab es da nicht noch deutlich mehr? Grund genug, eine kleine Anfrage zu stellen, die nun beantwortet wurde (Antwort, Anlage 1).
Wenn man sich die Antwort anschaut, wird deutlich, dass das Versammlungsgeschehen deutlich vielfältiger war als medial dargestellt und sich auch nicht nur auf die coronabedingten Einschränkungen beschränkte. Zwar beschäftigte sich der Großteil des Protests mit den Einschränkungen der Bürgerrechte durch die coronaedingten Maßnahmen. Es gab aber viel mehr: Da gab es Proteste gegen die Flüchtlingspolitik der EU und gegen Massenquarantänen in Flüchtlingsunterkünften, Gastwirte und kunst- und Kulturschaffende machten auf ihre Situation aufmerksam, die Grenzpendler protestierten gegen die geschlossene Grenze, Proteste gegen Nazis fanden statt und auch ein Protest gegen den Autogipfel findet sich in der Auflistung. Insgesamt haben 172 Versammlungen zwischen 24.4. und 31.5. stattgefunden und wenn man sich die Liste anschaut, findet ma dort sehr viele, krative Aktionen. Das spricht für eine aktive und vielfältige Zivilgesellschaft!
Zur Frage, welche dieser Versammlungen rechtsextreme Züge aufwiesen, teilt die Landesregierung mit: „Nach Bewertung des Verfassungsschutzes weisen die Versammlungen in Cottbus/Chóśe-buz, Luckenwalde, Jüterbog, Rathenow und Oranienburg rechtsextremistische Bezüge auf. Demnach wurden im Rahmen der Veranstaltungen in Cottbus/Chóśebuz Redner mit rechts-extremistischen Bezügen festgestellt, die Demonstrationen in Luckenwalde, Jüterbog und Rathenow von Personen mit rechtsextremistischen Hintergrund veranstaltet und an der Kundgebung in Oranienburg nahmen Personen der rechtsextremistischen Szene teil.“
Wir haben auch nach Verstößen gegen die Versammlungsauflagen bzw. Straftaten bei den Versammlungen gefragt. Dies referiere ich hier nicht, das kann jeder in der oben verlinkten Antwort selbst nachlesen. Ich will aber einen Teil der Antwort hier zitieren, weil ich darüber herzlich lachen musste: „Bei einer Versammlung am 16. Mai 2020 in Prenzlau wurde ein Redner von einer weiblichen Versammlungsteilnehmerin geküsst. Hierdurch wurde der durch die SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vorgeschriebene Mindestabstand unter-schritten. Eine Strafanzeige wegen Verstoß gegen § 130 StGB (Volksverhetzung) wurde gefertigt.“
Wir haben die Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage der deutschen Presseagentur (dpa) zur Verfügung gestellt und in diesem Zusammenhang folgendes in Auswertung der Antwort mitgeteilt:
Andreas Büttner: „Das Versammlungsgeschehen – 172 Versammlungen innerhalb von sechs Wochen – direkt nach dem Lockdown zeigt, dass wir in Brandenburg eine rege Zivilgesellschaft haben. Die Vielfältigkeit der Themen der Veranstaltungen zeigt, dass die mediale Wahrnehmung, die sich auf die sogenannten Hygienedemos fokussierte, nur ein eingeschränktes Bild zeichnete. Dieses erhöhte Versammlungsaufkommen stellte aber gleichzeitig auch eine hohe Belastung für die Brandenburger Polizei dar. Ich danke den Beamten für Ihren umsichtigen Einsatz in dieser schwierigen Zeit.“
Andrea Johlige: „Die versuchte Vereinnahmung des demokratischen Protests durch AfD und andere Rechtsextreme kann als gescheitert betrachtet werden. Nur in wenigen Orten wurde das Versammlungsgeschehen durch diese Kräfte bestimmt. Hier kamen die Veranstalter jedoch nicht über ihre übliche Mobilisierung hinaus. Für die AfD kann man feststellen, dass sie nicht einmal ihr eigenes Klientel hinter dem Ofen vorgelockt hat.“