Nachgefragt: Brandenburger Behördenmunition in den Händen der Nordkreuz-Gruppe
Schon seit längerer Zeit beschäftigt mich die Frage, wie Munition aus den Beständen der Brandenburger Polizei in die Hände der Nordkreuz-Gruppe gelangt ist. Aber der Reihe nach: Am 19. Dezember 2019 wurde am Landgericht Schwerin der ehemalige SEK-Polizist Marco G. wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Haftstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. G. hatte der Gruppe ‚Nordkreuz‘ aus der sogenannten Prepper-Szene angehört. Medienberichten zufolge habe die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung u.a. auch ergeben, dass G. unbefugt im Besitz sogenannter Behördenmunition war, die von verschiedenen Dienststellen aus mehreren Bundesländern stamme.
Im Februar/März 2020 habe ich das zum Anlass genommen, die Landesregierung zu deren Erkenntnissen dazu zu befragen. Die Antwort war mehr als enttäuschend, es gab keinerlei Auskünfte zu diesen Vorgängen.
Danach fragen wir regelmäßig im Innenausschuss nach. Zwischenzeitlich gab der Innenminister zu, dass bei Marco G. auch aus Behördenmunition aus Brandenburg gefunden wurde. Man könne sich aber nicht erklären, woher diese stamme, da die Polizei gar keine Munition vermisse.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde im Lauf des Jahres bekannt, dass Polizeieinheiten auf einem Schießplatz in Güstrow trainiert haben, dessen Betreiber Kontakte zur Nordkreuz-Gruppe hat. Die Vermutung, dass dieser Schießplatz bei der Munitionsbeschaffung einer Rolle gespielt hat, erhärtete sich.
In der Sitzung des Innenausschusses des Brandenburger Landtages am 18. November 2020 teilte der Innenminister dann auf unsere Anfrage mit, dass in den Jahren 2008 bis 2019 Brandenburger Polizeieinheiten auf diesem Schießplatz in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) trainiert haben. Das Land habe mit der Firma „Baltic Shooters“ im Zusammenhang mit der Nutzung des Schießplatzes jedoch kein langfristiges Vertragsverhältnis gehabt. Der Co-Vorsitzende des Vereins „Privilegierte Schützengesellschaft zu Güstrow e.V.“, die den Schießplatz „Großer Bockhorst“ betreibt, ist gleichzeitig Firmenchef von „Baltic Shooters“. Frank T., ist den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Nordkreuz-Komplex aufgefallen. Im Jahr 2019 fand eine Durchsuchung des Geländes statt. Jährlich haben auf dem Schießplatz auch sogenannte „Special Forces Workshops“ unter Beteiligung von Polizeieinheiten mehrerer Bundesländer stattgefunden. Bei diesen Workshops soll es unter anderem auch Schießwettbewerbe gegeben haben.
Dies war Anlass für mich, eine weitere Anfrage an die Landesregierung zu richten. Auch diese Antwort ist enttäuschend. Klar ist nun zwar, dass die Brandenburger Polizei in den Jahren 2026 bis 2019 insgesamt 6 mal auf diesem Schießplatz trainiert hat. Außerdem fand ein Schießtraining mit den Frank T. in Brandenburg statt. Das Ministerium teilt mit, dass die Zusammenarbeit mit Frank T. sofort beendet wurde, nachdem die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden.
Die wichtigste Frage jedoch. beantwortet das Ministerium weitgehend verschwurbelt und nicht vollständig. Die Frage lautete:
„Handelt es sich ausweislich der Chargen-Nummern bei der Brandenburger Behördenmunition, die bei einem Beschuldigten der Nordkreuz-Gruppe aufgefunden wurde, um Munition, die durch Brandenburger Polizeieinheiten bei Trainings bzw. Workshops auf dem Schießplatz in Güstrow verwendet wurde? Wenn ja, bei welchen der unter 1. bzw. 4. aufgeführten Trainings bzw. Workshops wurde Munition dieser Chargennummern verwendet und um wie viel Munition handelt es sich jeweils? Wie viel Munition der jeweiligen Chargennummern wurde bei dem Beschuldigten aufgefunden?“
Darauf antwortet die Landesregierung:
„Der Landesregierung ist nicht bekannt, auf welchem Weg der Beschuldigte der Nordkreuz-Gruppe an die aufgefundene Munition mit der Chargen-Nummer, die u.a. an die Brandenburger Polizei ausgegeben wurde, gelangte. Eine Verlustmeldung von 13 Patronen mit der entsprechenden Chargen-Nummer liegt in der Polizei des Landes Brandenburg nicht vor.“
Es ist zumindest mir völlig unklar, was die Landesregierung mit damit sagen wiill. Heißt das, dass wir über 13 Patronen aus Brandenburger Beständen handelte? Oder gibt es doch Verlustmeldungen, nur für 13 Patronen nicht? Die Fragen zu den Chargennummern, in welchem Jahr die Munition verwendet wurde und wie viel Munition nun aufgefunden wurde, beantwortet das Ministerium gar nicht.
Der Presse habe ich dazu Folgendes gesagt:
„Wieder weicht das Innenministerium der wichtigsten Frage aus: Wie kam Munition der Brandenburger Polizei in die Hände eines mutmaßlichen Rechtsterroristen? Wir wissen noch immer nicht genau, um wie viel und welche Art von Munition es sich handelt.
Auf unsere erste Frage im März haben wir gar keine Antwort erhalten, später musste der Minister im Ausschuss zugeben, dass Munition der Brandenburger Polizei tatsächlich bei der Nordkreuz-Gruppe gefunden wurde. Noch später musste er auf hartnäckige Nachfragen zugeben, dass der Schießplatz in Güstrow möglicherweise eine Rolle gespielt hat. Aber er bleibt weiter wichtige Antworten zu diesem Komplex schuldig. Es muss endlich Schluss sein mit der Salamitaktik. Wenn Munition aus Polizeibeständen in die Hände von Personen gerät, die Waffen horten, Listen von zu beseitigenden politischen Gegnern erstellen und Leichensäcke bestellen, dann muss es sofort und lückenlos Aufklärung geben.“
Ein lesenswerter Artikel dazu ist in der SVZ erschienen. Dieser ist hier zu finden.