Wahlbotschafter: Fragen an die Direktkandidaten für den Landtag

Wahlbotschafter fragt:
Die Arbeitslosenquote liegt in Brandenburg bei rund 12 Prozent. Wie kann die Arbeitslosigkeit abgebaut werden?

Antwort:
Schaffung öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, Ausrichtung der Wirtschaftsförderung auf Arbeitsplatzschaffung, Unterstützung Klein- und Mittelstand

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Jugendlichen in Brandenburg eine berufliche Perspektive bieten zu können?

Einsatz für Ausbildungsumlage - wer nicht ausbildet muss zahlen; Anreize für Unternehmen, junge ArbeitnehmerInnen einzustellen, Fort- und Weiterbildungsangebote

Was raten Sie jemandem, der aus dem Land Brandenburg abwandern will?

es sich nochmal zu überlegen und auf jeden Fall wiederzukommen ;-)

Wie stehen Sie zum Wahlrecht ab 16 Jahren für den Landtag und die Kommunalparlamente?

Ich bin für das aktive Wahlrecht ab 16 für Kommunal- und Landesparlamente und für das passive Wahlrecht ab 16 Jahre für Kommunalparlamente.

Welche jugendpolitischen Schwerpunkte werden Sie in den nächsten fünf Jahren umsetzen?

Freizeitangebote und Netz von Jugendclubs- und -räumen ausbauen, Kontinuität in der Jugendarbeit durch langfristige Stellen für Sozialarbeiter und Streetworker

Wie ist Ihre Haltung zu Studiengebühren an Brandenburger Hochschulen?

Ich bin für kostenlosen Zugang zu Bildung von KiTa über Schule bis Studium, deshalb klares Nein zu Studiengebühren

Wie können Rechtsextremismus und Antisemitismus in Brandenburg wirksam bekämpft werden?

Stärkung von Alternativkulturen und -szenen; aktive Unterstützung von Aktivitäten gegen Rechts; Aufklärung und Bildungsangebote für mit Jugendlichen arbeitende,

20 Jahre nach der friedlichen Revolution 1989 wird Brandenburg eine/n Beauftragte/n „zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur“ erhalten. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich begrüße die Einsetzung dieses Beauftragten. Das Gesetz hätte aber nicht so "durchgepeitscht" werden dürfen, es bleiben zu viele Fragen offen.

Wie kann sich Brandenburg in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise am besten behaupten?

Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe durch Unterstützung von Unternehmensnetzwerken; Auflage eines Start-Up-Fonds und Investitionen der öffentlichen Hand.

Was sind Ihre umweltpolitischen Forderungen für Brandenburg?

Energiewende forcieren: Regenerative Energien fördern; Ausstieg aus der Braunkohle; keine unterirdische Speicherung von CO2. Die Alleen retten!

Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf im Verbraucherschutz?

Transparenz und Preiskontrolle im Bereich Daseinsvorsorge durchsetzen; finanzielle Ausstattung des Verbraucherschutzes sichern; gentechnikfreie Lebensmittel

Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem in Ihrem Wahlkreis?

Durch starken Bevölkerungszuwachs seit der Wende sind enorme Investitionen in die öffentliche Infrastruktur notwendig, die die Kommunen nicht allein schaffen.

Drei Dinge, die Sie mit dem Land Brandenburg verbinden:

Wunderschöne Landschaften mit endlosen Alleen, Spargel und Theodor Fontane.

Angenommen, Sie hätten drei Wünsche frei, die sich erfüllen würden, welche wären das?

Gesundheit für meine Familie und Freunde und eine gerechte soziale Welt ohne Armut und Krieg - sind nur zwei Wünsche, aber die würden mir reichen...

Welchen Ihrer Gegenkandidaten würden Sie am ehesten wählen und warum?

Ursula Nonnemacher - weil wir politisch gar nicht so weit auseinander sind und sie sehr engagiert und zielstrebig ihre Ziele verfolgt

Michael: Falkenseer Nordumfahrung und Verlängerung des Brunsbütteler Damms (Abgeordnetenwatch)

Auf Abgeordnetenwatch fragt Michael:
Ihre Partei hat sich in Falkensee bisher nicht festgelegt, ob sie für
oder gegen die umstrittene Nordumfahrung ist. Mich würde Ihre persönliche
Position dazu interessieren. Zudem möchte ich gern wissen, wie Sie zur
Verlängerung des Brunsbütteler Damms von der Stadtgrenze Spandau nach
Dallgow-Döberitz stehen.
 

Antwort:
Sehr geehrter Herr Depta,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gern beantworte.

Sie haben Recht, dass DIE LINKE in Falkensee bisher ihre Haltung zur Nordumfahrung nicht festgelegt hat. Dies liegt daran, dass das Thema innerhalb der LINKEN genauso umstritten ist, wie in der gesamten Falkenseer Bevölkerung und man vermeiden wollte, einen knappen Beschluss herbeizuführen, mit dem dann ein großer Teil der Partei nicht zufrieden wäre. Ich persönlich bedaure es sehr, dass die Falkenseer LINKEN sich zu keiner Position durchringen konnten. Deshalb stellt die im Folgenden dargestellte Position auch "nur" meine persönliche Meinung dar.
Ich persönlich lehne den Bau der Nordumfahrung ab, da die Nordumfahrung aus meiner Sicht die verkehrlichen Probleme nicht löst, im Gegenteil, es findet eine Verkehrsverlagerung statt, die dazu führt, dass bisher ruhige Anwohnerstraße zunehmend stärker frequentiert werden und auch bisher schon stark belastete Straßen wie die Spandauer Straße werden auch weiterhin jeden Tag völlig zugestaut sein. Zudem wird die Trasse bisher geschlossene Grünflächen zerschneiden und zusätzlichen Lärm schaffen.
Eine Lösungsmöglichkeit sprechen Sie in Ihrer Frage gleich an: Der Brunsbütteler Damm, der bis zur Stadtgrenze Spandau vierspurig ausgebaut ist und dort endet. Ein Weiterbau auf brandenburger Seite würde über den ehemaligen Flughafen Staaken führen, ökologische Belastungen wären demnach kaum zu beobachten. Dadurch könnten in Falkensee vor allem die Ausfallstraßen nach Spandau entlastet werden.
Allerdings gibt es beim Weiterbau en Problem: Die Trassenführung würde über das Gebiet der Gemeinde Dallgow-Döberitz laufen. Da das Land signalisiert hat, dass es kein Interesse am Brunsbütteler Damm hat, obwohl er in eine Landesstraße münden würde, müsste die Gemeinde Dallgow-Döberitz die immensen Kosten tragen.
In der Gemeindevertretung, in der ich ja Mitglied bin, haben wir uns im Rahmen des Bebauungsplans für den ehemaligen Flughafen Staaken, auf dem ein Solarpark entstehen soll, intensiv mit der Frage der Verlängerung des Brunsbütteler Damms auseinander gesetzt und auf Antrag meiner Fraktion zumindest eine Trassenfreihaltung für eine mögliche Verlängerung des Brunsbütteler Damms beschlossen. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens wurde aber deutlich: Zwar wollen die Stadt Falkensee, Spandau und auch das Land Brandenburg die Verlängerung, Dallgow-Döberitz soll sie aber bezahlen. Dies wäre jedoch widersinnig, da die Gemeinde am wenigsten Interesse an dieser Verlängerung hat, da die Vorteile für die Gemeinde sehr gering sind und weshalb es vor allem angesichts der hohen Kosten in der Gemeindevertretung niemanden gibt, der die Verlängerung des Brunsbütteler Damms auf Kosten Dallgow-Döberitz´ fordert. Demnach gehe ich davon aus, dass die Verlängerung des Brunsbütteler Damms in den nächsten Jahren kaum realisiert werden wird. Die einzige Möglichkeit aus meiner Sicht wäre ein Einlenken des Landes Brandenburg und eine Beteiligung von Spandau und Falkensee an den Kosten des Baus. An der Gemeinde Dallgow-Döberitz würde ein Bau aber sicher nicht scheitern, wenn die Finanzierung geklärt würde.

Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Johlige

Steffen: Beseitigung Zwei-Klassen-Medizin (Abgeordnetenwatch)

Auf Abgeordnetenwatch fragt Steffen:
Wie kann die Zweiklassen-Medizin beseitigt werden? Bin Privatpatient und
will nicht so schlechte Leistungen, wie ein Kassenpatient. Führt ein Weg
an der Zusammenlegung der Kassen vorbei?

Antwort:
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gern beantworte.

DIE LINKE möchte tatsächlich die Zweiklassen-Medizin beseitigen, indem eine solidarische Bürgerversicherung geschaffen wird. Das bisherige System krankt gerade daran, dass Besserverdiener , Selbstständige und Beamte nicht in die Gesetzlichen Krankenkassen einzahlen. Gerade dadurch ist die Finanzierung des Systems gefährdet und durch den Kostendruck wurden die Leistungen immer mehr eingeschränkt. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die Unternehmen entlastet wurden und dadurch mehr Beitragslasten bei den Versicherten selbst gelandet sind.

Deshalb fordert DIE LINKE eine Bürgerversicherung in die alle Einkommensarten und -höhen einbezogen werden und bei der die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben ist. Zudem soll der Sonderbeitrag für Arbeitnehmer und Rentner wieder abgeschafft werden, um eine ausgewogene Beteiligung an den Beiträgen von Wirtschaft und Beschäftigten sicherzustellen. Es geht darum, die Finanzierung sowie den versicherten Personenkreis und damit die Einnahmebasis auszuweiten. So wird gesamtgesellschaftliche Solidarität auf einer stabilen Finanzierungsbasis erreicht und damit ist es dann auch möglich, die Leistungen und die Qualität des Gesundheitswesens für alle zu verbessern.

Mit freundlichen Grüße,
Andrea Johlige

Karin: Unterstützung mittelständischer Unternehmen (Abgeordnetenwatch)

Auf Abgeordnetenwatch fragt Karin:
Wie will DIE LINKE mittelständische Unternehmen stärken?

Antwort:
Sehr geehrte Frau Heckert,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich natürlich gern beantworte.

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind das Rückgrat der Brandenburger Wirtschaft, sie sichern den Großteil der Arbeitsplätze und gewährleisten funktionierende regionale Wirtschaftskreisläufe. 95,6% der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Brandenburg sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro. Allein diese Zahl zeigt schon, welche große Bedeutung für die Brandenburger Wirtschaft die kleinen Unternehmen spielen. Dieser wichtigen Bedeutung trägt die bisherige Förderlogik des Landes aber nur unzureichend Rechnung. In der Vergangenheit wurde die Wirtschaftsförderung viel zu oft an prestigträchtige Projekte denn an die dauerhafte Schaffung von Arbeitsplätzen gekoppelt. Auch soziale und ökologische Aspekte wurden viel zu oft nicht beachtet. Aus meiner Sicht muss Wirtschaftsförderung in Form von Zuschüssen an die Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen gebunden werden. Für Investitionen soll zukünftig stärker auf Darlehensfinanzierungen denn auf Zuschüsse gesetzt werden und die ökologische Verträglichkeit der geförderten Investitionen gewährleistet sein.

Ich denke, dass die Wirtschaftsförderung in Brandenburg grundsätzlich umgebaut werden muss. Klassische Zuschüsse muss es sicher auch weiterhin geben, vor allem in der gezielten Förderung bestimmter Branchen und Netzwerke. Allerdings will ich eine stärkere Hinwendung zu vereinfachten Krediten und Bürgschaften seitens des Landes, um dem größten Problem der brandenburgischen Unternehmen - der Eigenkapitalschwäche - zu begegnen. Dabei soll auf einen Darlehensfonds des Landes zurückgegriffen werden, der von den zurückgezahlten Raten immer wieder neu gefüllt wird das schont den Landeshaushalt und ist für kurzfristige Überbrückungen und Kleininvestitionen ein sinnvolles Mittel, kleine und mittelständische Unternehmen vor dem Aus zu bewahren. Ein ähnliches Modell strebe ich für Existenzgründungen an: Auch hier soll es einen Fonds geben, aus dem Gründungen unterstützt werden. Die Mittel werden im Erfolgsfall von den Unternehmen zurückgezahlt. Dies macht die gründungswilligen unabhängig vom Willen oder Unwillen der Banken und eröffnet gerade innovativen Unternehmen einen angemessenen Start.

Noch eine Bemerkung zur Wirtschaftsförderung in Brandenburg: Die Landesregierung hat die Wirtschaftsförderung in den letzten Jahren neu geordnet. Danach gibt es 17 Branchenkompetenzfelder und 15 regionale Wachstumskerne. Für Unternehmen außerhalb dieser Wachstumskerne und/oder dieser Branchen ist es fast unmöglich, Wirtschaftsförderung zu erhalten. Ich halte eine Wirtschaftsförderung, die schwerpunktmäßig innovative und zukunftsfähige Branchen unterstützt, für sinnvoll. Allerdings ist mir völlig unklar, warum dies an die räumliche Verortung gebunden sein soll. Warum ist bspw. ein Solarunternehmen in einem Wachstumskern förderfähig, während es dies in einer strukturschwächeren Region außerhalb eines solchen Kerns nicht ist? Seien wir doch froh, wenn sich Unternehmen ansiedeln und entwickeln, eine Förderung an den Standort zu binden ist aber kontraproduktiv, weshalb diese Förderlogik revidiert werden muss, auch um einzelne (eh schon schwächere) Regionen nicht völlig von der Wirtschaftsentwicklung abzukoppeln. Es braucht zudem eine Grundförderung für alle Regionen, die kleine und mittelständische Unternehmen stützt und die Bildung funktionierender regionaler Wirtschaftskreisläufe anschiebt.

Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Johlige

Initiative Mindestlohn: Gesetzlicher Mindestlohn

Auf Abgeordnetenwatch fragt Guido:
Welche Meinung vertreten Sie in den Fragen kostenloses Schulessen und Kostenlose Schülerbeförderung?

Antwort:
Sehr geehrter Herr Voss,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich natürlich gern beantworte.

DIE LINKE will gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen in Brandenburg. Gleiche Bildungschancen bedeuten auch, dass jedem Kind und jedem Jugendlichen die bestmögliche Bildung zuteil wird, und das unabhängig von der sozialen oder ethnischen Herkunft und vor allem unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Deshalb treten wir für den kostenlosen Zugang zu allen staatlichen Bildungseinrichtungen (von der KiTa bis zur Hochschule) ein.

Kostenloser Zugang bedeutet dann aber auch, dass die schreiende Ungerechtigkeit beseitigt wird, dass die Eltern des Kindes, das weiter entfernt von der Schule wohnt und schon deshalb einen Nachteil wegen des langen Schulweges hat, für die Schülerbeförderung auch noch zahlen müssen. Deshalb treten wir in Land und Kreis seit Jahren für eine elternbeitragsfreie Schülerbeförderung ein. Erst im Dezember hat übrigens die Zählgemeinschaft im Kreistag Havelland, bestehend aus SPD, CDU, FDP und Bauern+ einen Antrag der LINKEN abgelehnt, in der wir die elternbeitragsfreie Gestaltung der Schülerbeförderung gefordert haben.

Auch bin ich der Meinung, dass jedes Kind in KiTa und Schule ein warmes Mittagessen erhalten soll. Auch hier haben wir im Kreistag Havelland eine Initiative gestartet, die darauf abzielte, dass armutsgefährdeten und armen Kindern ein Zuschuss zum Mittagessen seitens des Kreises gezahlt wird. Die Zählgemeinschaft hat auch dies abgelehnt mit dem Hinweis, dass die Schulträger dafür zuständig seien. Im Landtag haben CDU und SPD bei einer ähnlichen Initiative unsererseits auf die Landkreise verwiesen.

Dabei ist allen Parteien bekannt, dass bspw. im Hartz IV-Regelsatz 2,72 Euro für die Verpflegung eines Kindes pro Tag vorgesehen sind. Bei einem durchschnittlichen Preis für ein Mittagessen von 2,50 Euro bleibt gerade noch ein Brötchen (ohne Belag) für die Verpflegung des Kindes übrig. Die Eltern stehen also vor der Entscheidung, entweder das Kind in der KiTA oder Schule nicht essen zu lassen oder mit dem Regelsatz nicht hinzukommen, also woanders sparen zu müssen. Und dieses Dilemma wollen wir kurzfristig lindern indem ein Zuschuss zum Essen gezahlt wird. Perspektivisch wollen wir ein kostenloses Mittagessen für jedes Kind.

Mit freundlichen Grüßen,

Andrea Johlige

Initiative Mindestlohn: Gesetzlicher Mindestlohn

Im Rahmen ihres KandatInnenchecks fragt die Initiative Mindestlohn:
Befürworten Sie einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von mindestens 7,50 Euro pro Stunde?

Antwort:
Menschen müssen von Ihrer Arbeit leben können. Deshalb befürworte ich einen gesetzlichen Mindestlohn. DIE LINKE fordert seit vielen Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro je Stunde. Dafür setzen wir uns auf Bundes- und Landesebene ein. Da hier eine bundesgesetzliche Lösung gefordert ist, kann das Land das Ziel vor allem durch eine Bundesratsinitiative forcieren. Auf Landesebene fordern wir ein Landesvergabegesetz, in dem festgelegt wird, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an soziale Standards - unter anderem die Zahlung eines Mindestlohns - gekoppelt wird.

Stefan: Videoüberwachung des Dallgow Bahnhofs

Stefan Z. fragt:
Die liberale Haltung Ihrer Partei gegenüber Sachbeschädigungen auf öffentlichen Grund ist ja bundesweit bekannt. Vielleicht würden Sie Ihre Meinung über eine Videoüberwachung am Bahnhof ändern, wenn Sie täglich auf einem beschmierten Bahnhof mit zerstörter Einrichtung warten müßten um am Abend festzustellen, daß mal wieder das Fahrrad demoliert oder geklaut wurde.

Antwort:
Sehr geehrter Herr Z.,
ich weiß, dass das Thema Videoüberwachung immer sehr umstritten und auch emotionsbeladen ist. Dennoch ist hier aus meiner Sicht eine etwas differenzierte Betrachtung sinnvoll.

Zuerst vorab: Das Graffiti im nördlichen Aufgang-Bereich des Bahnhofs ist von der Gemeinde für die Jugendlichen zur Verfügung gestellte Fläche. Das heißt, das Sprayen dort ist völlig legal, da die Gemeinde dies den Jugendlichen erlaubt hat. Dies ist ein Kompromiss des Bürgermeisters mit den Jugendlichen, der bereits vor mehreren Jahren geschlossen wurde. Dahinter stand die Hoffnung, dass der Rest des Bahnhofs "verschont" bleibt, wenn ein Teil zum Sprayen freigegeben ist. Ob man die "Werke" schön findet, ist sicher eine andere Frage, aber die "Schmierereien" sind an dieser Stelle politisch gewollt gewesen, ich denke aber, dass es hier recht bald eine neue Debatte über Sinn uns Unsinn dieser Maßnahmen geben wird. Und auch mir gefällt es nicht, dass außerhalb dieser Flächen immer wieder Graffiti auftauchen, deren Entfernung die Gemeinde eine ganze Menge Geld kostet.

Zur Videoüberwachung habe ich aber tatsächlich eine andere Auffassung als Sie.
Videoüberwachung verhindert keine Kriminalität sondern verlagert sie im besten Fall. Das heißt, ein Teil der Fahrräder werden auch weiterhin am Bahnhof gestohlen und die Fahrräder, die nicht am Bahnhof geklaut werden, weil es hier eine Videoüberwachung gibt, werden eben vor der Schule, bei Lidl oder wo auch immer mitgenommen. (Das findet ja auch heute schon teilweise statt udn wird dann zunehmen.) Deshalb hat Videoüberwachung immer die Tendenz ausgeweitet zu werden, da es immer neue Stellen gibt, wo diese, ist das Tabu erst einmal gebrochen, dann ebenfalls stattfinden muss, soll die Überwachung nicht insgesamt zur Farce werden. Das kann man übrigens sehr gut in London beobachten, wo mittlerweile hast 3/4 der Innenstadt videoüberwacht werden und auch in Leipzig, dem deutschen Vorreiter in dieser Frage, wurde die Überwachung in den letzten Jahren extrem ausgeweitet.
Zudem wird immer wieder behauptet, dass die Videoüberwachung zur Aufklärung beiträgt. Das mag in bestimmten Fällen stimmen, jedoch sind die Statistiken da nicht so positiv wie oft behauptet. Und: Mir geht es um die Verhinderung von Kriminalität und dazu braucht es andere Maßnahmen als eine Videoüberwachung. Überspitzt gesagt: Ich will nicht, dass eine Frau vergewaltigt wird, deshalb muss ich die Vergewaltigung verhindern und selbige nicht auf Video aufnehmen.
Zudem ist eine Videoüberwachung immer ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Privatfirmen haben natürlich das Recht, in ihrem eigenen Bereich zu überwachen. Dies ist auch sehr weit fortgeschritten, keine Bank, kein größeres Geschäft ohne Überwachungsanlagen. Hier weiß der Kunde darum und kann, will er nicht überwacht werden, diese Bereiche versuchen zu meiden. Beim öffentlichen Raum ist dies aber anders. Dieser ist wesentlich sensibler, da es sich um Gebiete handelt, die man aus den verschiedenen Gründen oftmals nicht oder nur unter größeren Umständen meiden kann. Und der Staat hat seinen Bürgern gegenüber immer die Abwägung zu treffen, ob ein Eingriff in Freiheitsrechte, in desem Fall das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, tatsächlich bei einer Problemlage notwendig ist. Beim Bahnhof Dallgow-Döberitz, der sicher kein Kriminalitätsschwerpunkt ist, kann aus meiner Sicht ein Eingriff in die Freiheitsrechte nicht gerechtfertigt werden, vor allem unter Beachtung des oben beschriebenen Arguments, dass Kriminalität nicht verhindert sondern maximal verlagert wird.
Und der Staat unterstellt mit einer Videoüberwachung jeder Bürgerin und jedem Bürger, ein potenzieller Straftäter zu sein, da die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt wird. Das Argument, wer nichts zu verbergen hat, den stört auch die Videoüberwachung nicht, zählt demnach nicht, da der Umkehrschluss wäre, nur wer was zu verbergen hat, will keine Videoüberwachung und dies bedeutet dann, den Generalverdacht gegenüber der Bevölkerung. Ich persönlich habe aus der DDR (aus der ich stamme) gelernt, dass die Freiheit des Menschen ein sehr wichtiges Gut ist und ich möchte nicht (wieder) in einem Land leben, indem der Staat sich anmaßt, seine Bevölkerung zu überwachen.

Im konkreten Fall des Bahnhofs Dallgow-Döberitz geht es im Übigen in der Debatte gar nicht um die Überwachung bspw. der Fahrradständer (auch wenn ich auch diese nicht befürworten würde). Sondern es geht "nur" um den Bereich des neu zu bauenden Fahrstuhls. Dort hat die Deutsche Bahn als das Unternehmen, das den Bahnhof betreibt und den Fahrstuhl einbaut, verlangt, dass die Gemeinde einen großen Teil der Folgekosten trägt und der Installation von drei Kameras zur Sicherung des Fahrstuhls zustimmt. Die Bahn will den Fahrstuhleingang, den Fahrstuhl selbst und den Fahrstuhl vom Bahnsteig aus gesehen überwachen. Dies kann man dem Unternehmen nicht verbieten, da es sich hier um Unternehmensgelände handelt. Und dem habe ich in der Gemeindevertretung auch unter der Bedingung zugestimmt, dass dies nicht bedeuten darf, dass die Deutsche Bahn auch den öffentlichen Raum, nämlich den Fußgängertunnel (der auch von sehr vielen Menschen, die nicht mit der Bahn fahren, genutzt wird) selbst überwacht. Und dies nicht nur aus der Begründung, die ich oben beschrieb heraus, dass der öffentliche Raum hier besonders schützenswert ist, sondern auch aus der Überlegung heraus, dass es keinen Grund gibt, dass ein Unternehmen Informationen über Menschen, die sich im öffentlichen Raum bewegen, sammelt. Und Videoüberwachung ist Informationssammlung und die Kontrolle, was mit den Aufnahmen geschieht, wäre in diesem Fall noch weniger gegeben als eine Videoüberwachung in öffentlicher Hand.
Menschen, die sich der Überwachung (in dem Fall durch ein Unternehmen) entziehen wollen, müssten Umwege in Kauf nehmen, indem sie die Brücke Wilmsstraße benutzen. Und da geht es nicht darum, dass diese Menschen etwas zu verbergen hätten, sondern sie sind einfach vorsichtig, ihre Daten (und auch die Feststellung, wann wer mit dem welche Wege nutzt sind Daten) herauszugeben.

Und einen letzten Aspekt möchte ich hier erwähnen: Ich denke, dass die Überwachung eines öffentlichen Bereichs ein so schwerer Eingriff in die Freiheitsrechte eines jeden und einer jeden ist, dass einem Beschluss durch die Gemeindevertretung dazu eine öffentlich geführte Debatte voran gehen muss. Wenn nach einer solchen Diskussion in der Gemeinde herauskäme, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Installation von Kameras am Bahnhof befürwortet, würde ich das sicher nicht teilen, aber ich müsste es akzeptieren. Der Vertrag mit der Deutschen Bahn musste aus rechtlichen Gründen im nichtöffentlichen Teil der Gemeindevertretung behandelt werden. Das heißt, eine öffentliche Debatte dazu war nicht möglich. Deshalb habe ich darauf gedrängt, dass de Feststellung getroffen wird, dass die Gemeindevertretung davon ausgeht, dass der öffentliche Bereich des Fußgängertunnels nicht aufgenommen wird. Dies beschloss die Gemeindevertretung auch.

Ich hoffe, dass ich deutlich machen konnte, weshalb ich eine Überwachung des öffentlichen Raums im Allgemeinen und des öffentlichen Raums des Bahnhofs durch ein Unternehmen im Besonderen ablehne. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Mir freundlichen Grüßen,
Andrea Johlige

Sabine: Videoüberwachung des Dallgow Bahnhofs

Sabine fragt:
Hallo Frau Johlige, ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie sich gegen eine Videoüberwachung am Dallgower Bahnhof einsetzen. Können Sie mir bitte erklären, weshalb? Ist doch super, wenn der Bahnhof sicherer wird... Viele grüße, Sabine

Antwort:
Hallo Sabine, die Bahn wird einen Fahrstuhl installieren und will diesen videoüberwachen lassen. Solange dies nur den Fahrstuhl selbst betrifft, ist dies eine Entscheidung des Unternehmens und nicht zu beanstanden. Der Tunnel, der auch von Menschen benutzt wird, die ins Ortszentrum wollen, gehört jedoch zum öffentlichen Raum und da muss Politik abwägen, ob es gerechtfertigt ist, jeden einzelnen, der durch den Tunnel geht, in seinen Persönlichkeitsrechten zu beschneiden und ihn unter Generalverdacht zu stellen, eine Straftat zu begehen. Menschen, die sich nicht überwachen lassen wollen, müssten Umwege in Kauf nehmen. Der Bahnhof würde durch eine Videoüberwachung nicht "sicherer" (zumal er meines Wissens kein Kriminalitätsschwerpunkt ist). Durch Videoüberwachung wird Kriminalität nicht verhindert sondern nur verdrängt (konsequent müsste man dann den ganzen Bahnhof und den Vorplatz und irgendwann den ganzen Ort überwachen). Auch die Aufklärungsquote von Delikten ist nicht wesentlich höher als ohne Überwachung. Deshalb habe ich mich in der Gemeindevertretung dafür eingesetzt, dass die Gemeinde klarstellt, dass der Tunnel nicht überwacht werden darf, was auch beschlossen wurde.

Marcel: Bildung

Marcel Heckert fragt:
Was will Ihre Partei in Sachen Bildung erreichen? Wie schätzen Sie das derzeitige Bildungssystem ein?

Antwort:
Derzeit sind Bildungschancen abhängig vom Einkommen der Eltern. Das wollen wir ändern. Langes gemeinsames Lernen, Durchlässigkeit zwischen den Schularten, Ganztagsangebote und kostenloser Zugang zu allen Bildungseinrichtungen sind wichtige Punkte, um die Nachteile von Kindern und Jugendlichen durch den sozialen Status ihrer Eltern, auszugleichen. Wir wollen die Qualität des Unterrichts dadurch verbessern, dass in keiner Klasse mehr als 24 Schüler sitzen und genügend Lehrer zur Verfügung stehen.

Mike: Finanzierung und Einbindung von Unternehmen

Mike fragt:
Deine Ziele für Brandenburg sind sehr löblich - wie stellst Du dir die Finanzierung deiner Ziele vor, da kaum zu erwarten steht, dass mehr Steuergelder für so ambitionierte Projekte vorhanden sein wetden, als derzeit. Ferner würde ich gern wissen, wie du die Arbeitgeber der Region in deine Vorhaben einzubinden gedenkst, da es ohne diese kaum möglich sein wird, deine Ziele umzusetzen.

Antwort:
Hallo Mike, ich bin Unternehmerin und kenne viele Firmen durch Unternehmensnetzwerke persönlich. Netzwerke sind der richtige Ort, Firmen in politische Vorhaben einzubinden, gerade weil hier auch kleine Unternehmen beteiligt sind. Viele unserer Vorhaben sind durch Umschichtungen zu realisieren. Nachdem wir aber gesehen haben, wie viele Milliarden innerhalb weniger Stunden für angeschlagene Banken „besorgt wurden“, werden wir nicht zögern, beim Bund Mittel für Zukunftsinvestitionen einzufordern.

Mike fragt nach:
Eine Nachfrage - wenn du Unternehmerin bist, denkst du, dass du unvoreingenommen Arbeitnehmerinteressen vertreten kannst? Das Beispiel Sarah Wagenknecht kommt mir da in den Sinn. Ferner - wie kannst du eine Unabhängigkeit von deinem Unternehmernetzwerk garantieren?

Antwort:
Wenn man Unternehmer ist, wirft man sein soziales Gewissen nicht weg. Ich bin bspw. für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro/Std., da wird es sicher Unternehmer geben, die das anders sehen, ich finde aber, dass die Menschen, von ihrer Arbeit auch leben können müssen. Zur Unabhängigkeit: Jeder Politiker befindet sich in einem sozialen Netzwerk und wird seine Erfahrungen daraus auch in die Politik einbringen. Das ist auch solange ok, wie man nicht versucht, Einzelnen Vorteile zu verschaffen.