Beitrag zur Veranstaltung "Herausforderungen für Parteien"

Herausforderungen für Parteien
Rückgewinnung der BürgerInnen für Politik
-    Problem Schweigen der Masse und geringe Politische Bildung und Desinteresse weiter Teile der Bevölkerung und vor allem der gering Gebildeten und sozial Schwachen
o    gesellschaftliche Debatten werden vom Bildungsbürgertum bestimmt
o    auch innerhalb der LINKEN Wahrnehmungsverschiebung der Wichtigkeit von Debatten
o    Bsp. Energiedebatte – BürgerInnen halten dies nicht für wichtiges Thema und weisen uns auch keine Kompetenz zu, erwarten von uns Aussagen zu sozialen Themen (Arbeit, Gesundheit), dennoch nicht drauf verzichten aber verhindern, dass wir nur noch dazu wahrgenommen werden
o    Frage: Wie schaffen wir es, auch geringer Gebildete und sozial Schwache wieder in den gesellschaftlichen Diskurs oder wenigstens in den Diskurs mit uns zurück zu holen?
o    Damit im Zusammenhang: Sozial Schwache haben keine Lobby. Zum letzten Mal bei den Hartz IV-Protesten gelungen, dass sie den gesellschaftlichen Diskurs zu ihren Interessen bestimmt haben. Wir müssen diesen Job übernehmen, eine andere Lobby haben sie nicht.
o    Nur: Wie erreichen wir sie? – Kümmererpartei ist das eine, also den direkten Diskurs vor Ort suchen, Hilfestellung geben, Probleme politisch aufgreifen – aber: emanzipatorischer Anspruch, Menschen befähigen, ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen – Transparenz, Teilhabe organisieren – neue Formen (Stichworte: Bürgerhaushalt, Anhörungen, Förderung selbst organisierter Projekte usw.) aber auch: Sichern, dass Formen bürgerschaftlichen Engagements auch gehört und einbezogen werden
o    Das aber ist ambivalent:
-    Problem Ein-Punkt-Engagement
o    Zunehmende Tendenz, dass bürgerschaftliches Engagement vor der eigenen Haustür anfängt aber eben auch aufhört – böse gesagt: mir ist egal, wo das Flugzeug lang fliegt, Hauptsache nicht über mein Haus oder anderes Beispiel, nicht ganz so offensichtlich: Wir hatten Parteitage bei denen die Kohle-Kumpel und Kohle vor die Tür gekippt haben und nun war es Greenpeace. Und es gibt in Brandenburg mehr Bürgerinitiativen mit mehr engagierten BürgerInnen in diesen gegen erneuerbare Energien als gegen CCS und Kohle.
o    Frage ist, wie geht Politik und wie gehen wir als LINKE damit um? Stuttgart 21 hat gezeigt, dass selbst lauteste Proteste nicht die Mehrheit der Bevölkerung darstellen müssen und ähnliches ist bspw. messbar, wenn man sich die Debatte um freie Schulen ansieht: fast 65% der BrandenburgerInnen finden ein Volksbegehren für mehr Geld für freie Schulen falsch – auch hier verschobene Wahrnehmung durch Medienöffentlichkeit – nur, welchen Umgang damit finden? Gerade als LINKE fällt uns das schwer. Und wir neigen dazu, gern und schnell auf Proteste aufzuspringen.
o    Der Weg, mit allen in den Diskurs zu treten aber auch zu sagen, wann man das Anliegen nicht unterstützen kann, scheint mir der Richtige. Und manchmal hilft uns auch mehr Gelassenheit. Hier haben wir Nachholbedarf. Unsere sinkende Verankerung in der Gesellschaft hat auch hier eine Ursache (weitere sind geringere Kraft, überall sein zu können, aber auch eine gewisse Zufälligkeit beim Engagement vor Ort, das oft durch das Interesse der Akteure nicht durch Strategie der Partei geleitet wird)
o    Aber: braucht auch innerparteiliche Klärungsprozesse: Energiedebatten auf dem Parteitag mit einem Beschluss  mit der knappest denkbaren Mehrheit und einer katastrophalen öffentlichen Wahrnehmung haben uns zwar Klarheit gebracht, dass wir einen Konflikt haben, nur lösen werden wir ihn so nicht.
o    Brauchen innerparteilichen Konsens über mit einer gewissen Grundsolidarität zu unterstützende Bewegungen – bei Antifa und Anti-Atom klappt das noch, bei Kohlekumpels und Greenpeace wird’s schon schwieriger.  Programmdebatte hat das nicht geleistet, Leitbilddebatte ist Chance.
o    Müssen aber auch lernen: Nicht jede gesellschaftliche Bewegung oder Initiative ist für uns unterstützenswert. Dabei ist aus meiner Sicht gesellschaftliches Engagement an sich ein Wert. Wir müssen aber klären, wie wir damit umgehen, wenn es unseren Zielen zu wider läuft. Bspw. Hassleben Schweinemastanlage. Gibt Initiative dafür und Initiative dagegen. Sicher ist uns die Initiative dagegen näher. Und dennoch müssen wir zumindest verstehen, warum Menschen dafür sind und versuchen ihre Beweggründe zu erfassen. In dem Fall sind die Befürworter vor allem dadurch motiviert, dass sie auf Arbeitsplätze hoffen. Auch das ist ein Ziel, das wir immerhin verstehen sollten. Im Übrigen führt die Initiative dagegen gerade einen Feldzug gegen Anita, weil sie angeblich nicht schnell genug entscheidet (was nicht so einfach ist). Also auch das ist ambivalent. Deshalb nochmal: Auf Diskurs setzen aber auch klare Kante zeigen, scheint mir der richtige Weg.
o    Letzter Satz dazu: Wir sind in diesem Land nicht mehr Opposition und das erfordert an der Stelle auch einen neuen Umgang. Wir sind in der Situation, es nicht Allen Recht machen zu können. Und wir werden damit konfrontiert, dass wir deshalb auch nicht immer als die Guten wahrgenommen werden. Das ist schmerzhaft, wenn man 20 Jahre Opposition war, und immer ungestraft gegen und für alles sein konnte, was war. Hier müssen wir lernen, vor allem auch dahingehend, nicht zuerst in der Chor derjenigen einzustimmen, die auf die da oben schimpfen, weil da oben sitzen inzwischen Genossinnen und Genossen. Ich plädiere deshalb dafür, lieber einmal mehr nachzufragen und sich sachkundig zu machen, bevor man ins Schimpfen einfällt.
-    Problem „etablierte“ Politik und sinkendes Engagement in Parteien
o    Mit den eben geschilderten Problemen steht im Zusammenhang, dass immer mehr Menschen sich von der etablierten Politik abwenden. Und machen wir uns nichts vor: Wir sind etabliert, zumindest im Osten. Sinkende Wahlbeteiligung hat, das hab ich eben erwähnt, etwas mit vollständigem politischem Desinteresse bei einigen zu tun. Aber nicht nur.
o    Es hat auch viel mit Enttäuschung zu tun. In mehrfacher Hinsicht: Enttäuschung zur mangelnden Problemlösungskompetenz und dem Verlust des Glaubens, dass Politik gegenüber dem modernen Finanzmarktkapitalismus und seinen sozialen Verwerfungen bestehen kann. Enttäuschung über das Verhalten von PolitikerInnen (und, nur am Rande, die von uns in Auftrag gegebene Umfrage hat gezeigt, dass unser Klientel an diesem Punkt besonders sensibel ist). Aber auch Enttäuschung darüber, dass politische Debatten oft an den eigentlichen Problemen und der Lebenswirklichkeit der BürgerInnen vorbei geht.
o    Nicht alles davon können wir lösen. Auch hier wird es nur einen Weg geben, das ist der direkte Dialog und Diskurs und die Aufnahme der artikulierten Probleme in politisches Handeln.
o    Und wir müssen wieder stärker vor Ort präsent sein und unsere Politik der Landesebene erklären und informieren. Deshalb haben wir begonnen, neue Formen in der Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln -> Eindruckflyer – schnell Material vor Ort, schnelle Information möglich, flexibel für verschiedene Zielgruppen nutzbar
o    Einschub: Regionalkonferenzen sind ein weiterer Versuch, jeder und jedem das direkte Gespräch mit EntscheiderInnen auf Landesebene zu ermöglichen. Allein: Das Interesse daran geht zurück. Gerade vergangene Runde deutlich weniger Interessierte, fast niemand außerhalb der Partei und fast nur FunktionärInnen – im Übrigen auch nicht die, die die Debatten auf dem LPT bestimmt haben.
o    Formen, die wir schon länger praktizieren sind die mobilen Wahlkreisbüros, Sprechstunden vor Ort usw. – ausbauen
o    Verbesserung innerparteilicher Kommunikation – Newsletter aber auch weitere Instrumente entwickeln, haben das Problem, dass wir bis zu drei Monate brauchen, an die Basis zu kommen – haben Print-Weg vernachlässigt – Parteireformprojekt Kleine Zeitungen deshalb Schlüsselprojekt um Infos an die Basis zu bekommen
o    Sinkendes politisches Engagement in Parteien merken wir auch an unseren Mitgliederzahlen. Man könnte sagen: Im Osten schrumpfen wir uns auf bundesdeutsches Normalmaß. Das ist aber keine befriedigende Antwort. Für uns sind aus meiner Erfahrung einige Punkte entscheidend, um bei der Mitgliederwerbung erfolgreich zu sein – kurz auf den Punkt gebracht hat das was mit Attraktivität zu tun
    Attraktivität durch Erfolg (in der Zeit, wo wir bei Wahlen am erfolgreichsten waren, hatten wir auch den größten Zulauf)
    Attraktivität durch Image (unkonventionelle Ideen, modern, jung, auch mal sexy)
    Attraktivität durch klares Profil (sozial, solidarisch [das muss dann aber auch mit dem Erleben der Partei im Umgang miteinander einher gehen], antimilitaristisch, ökologisch) – auch in einer Koalition
    Attraktivität durch Teilhabe (lebendige Debatten, Mitmachpartei, Teilhabe an der Politikentwicklung)
    Und, auch wenn das dem einen oder anderen nicht gefällt, Attraktivität durch Karrierechancen – wir reden da ja nicht so gern darüber, aber natürlich finden auch Menschen zu uns, die eine politische Karriere anstreben, das tun sie aber nur, wenn eine gewisse Aussicht darauf besteht
o    Haben mit Parteireform begonnen, an unseren Strukturen zu arbeiten und uns insgesamt besser aufzustellen, mehr und bessere Bildungsangebote, Nachwuchsentwicklung, moderne Kommunikation (Intranet, E-Mail, Internet), größere Attraktivität durch kulturelles Leben usw. sind nur einige Stichworte. Strukturell hilft das, wenn wir die Parteireform sauber zu Ende bringen. Aber auch hier zeigen sich inzwischen Schwächen. Diese Parteireform war als ein Prozess, der vor allem von Ehrenamtlichen getragen wird, angelegt. Das funktioniert in einigen Projekten, in anderen nicht. Jetzt, etwas mehr als ein Jahr nach Start des Prozesses ist klar, dass es nicht überall wie gewünscht funktioniert. Während einige Projekte hervorragend arbeiten (Bildungsangebote, Intranet), hakt es bei anderen. Teilweise liegt das an den Projektleitern, teilweise aber auch daran, dass es zu wenige gibt, die sich engagieren oder auch daran, dass den ProjektmitstreiterInnen einfach die Kraft fehlt. Und teilweise ist wahrscheinlich auch die Form der Projektarbeit nicht die Richtige (mehr Arbeit das Projektteam zusammenzubringen als die Inhalte zu bearbeiten). Werden deshalb jetzt eine Generalrevision machen, Projekte zusammenlegen und teilweise auch versuchen, die Arbeit der Projektteams durch  die Landesgeschäftsstelle zu übernehmen.
o    Parteireform geht aber weiter. Kann nicht zu Ende sein mit dem Ende der Projekte, immer wieder neue Herausforderungen durch neue Entwicklungen erfordert stetiges Nachdenken über unsere Strukturen – Bsp. Als wir angefangen haben, den Parteireformprozess zu starten gab es noch kein so massiv wahrnehmbares Bedürfnis nach Partizipation, wie es derzeit artikuliert wird – denke derzeit darüber nach, welche neuen Formen es geben kann, Regionalkonferenzen mit neuem Format ein Versuch, funktioniert auch, aber nicht bei allen Altersgruppen – neue Formen in Leitbilddebatte ausprobieren – Ideenschmiede, Zukunftswerkstätte, offene Diskussion im Internet/Internet usw.
-    Erfolg bei Wahlen
o    All diese Punkte sind auch wichtig, wenn wir über Erfolg bei Wahlen reden -> Stammwählerschaft rückläufig, aber Potenzial in Brandenburg nach wie vor bei 32% -> aktivieren wir nur durch Stabilisierung auf Bundesebene UND gute Politik im Land, über die wir dann auch noch reden und das nicht nur in der Presse
o    Umfrage: unsere WählerInnen erwarten vor allem klares Profil in der Sozialen Frage, bei Arbeitsplätzen, Bildung und Gesundheitsvorsorge – hier müssen wir wieder stärker öffentlich wirksam werden
o    auch hier gilt: Attraktivität wichtig – Attraktivität durch klares Profil, gutes Image und Teilhabe -> besondere Herausforderung: Wir schaffen wir es, tatsächliche Teilhabe zu sichern? -> Personalentscheide auch durch BürgerInnen (bspw. Spitzenkandidaturen)? Öffentlichen Diskurs über Schwerpunkte? (Leitbilddebatte versucht das, aber wie machen wir deutlich, dass wir es Ernst meinen und wir auch tatsächlich mal eine Position zu korrigieren bereit sind? Unter welchen Umständen tun wir das? -> ungeklärte Fragen, deshalb auch hier Diskurs notwendig
o    weiteres Problem: Piraten – würde Veranstaltung hier sprengen, ist aber auch notwendig  - was können wir lernen, was sollten wir beobachten – Piraten zeigen, dass Wahlerfolg nicht immer mit Inhalten und festen Strukturen zu tun haben, ganz wichtig ist Image. Es ist IN Piraten zu wählen, sie sind eine Antwort auf etablierte Politik und darauf, dass weite Teile der Bevölkerung von selbiger die Schnauze voll haben.
o    Dennoch zeigt gerade der Siegeszug der Piraten zweierlei: a) es ist möglich, Menschen in kurzer Zeit für Politik zurück zu gewinnen, wenn auch für andere als die gemeinhin als etablierte Politik bezeichnete und b) der Wille mitzugestalten ist da, er muss nur aktiviert werden und die Menschen müssen das Gefühl haben, tatsächlich teilhaben zu können – daraus sollten wir unsere Schlüsse ziehen
o    Das heißt nicht Transparenz um jeden Preis und auch nicht bei jeder tagespolitischen Frage erstmal die kollektive Intelligenz zu befragen, es heißt aber, Raum für tatsächliche Teilhabe an der Politikentwicklung zu schaffen.
o    Piraten auch aus anderem Grund für unseren Diskurs wichtig: Wildern stark in unserem Klientel. In Berlin und auch im Saarland haben sie am stärksten aus dem Nichtwählerlager Wähler gewonnen, danach kamen wir. Das heißt, sie binden derzeit stark ProtestwählerInnen, die wir vorher gebunden haben.
o    Ich halte es für derzeit offen, ob sie sich dauerhaft im Parteiensystem etablieren. Allerdings spricht einiges dafür. Dauerhafte Etablierung von neuen Parteien hat in der Regel zwei Grundbedingungen: a) ein Thema, das gesellschaftliche Relevanz hat und von keinem anderen glaubhaft vertreten wird (Grüne war es Klimaschutz, Piraten ist es alles, was mit Internet und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen zu tun hat) und b) die Verkörperung eines Lebensgefühls oder sogar Lebensentwurfs, der bisher ebenfalls nicht im Parteiensystem abgebildet war (Gründe links-alternative Lebensentwürfe, Piraten Generation der netzaffinen, hoch gebildeten mit unsicherer Erwerbsbiografie)
o    Für uns wichtig, zu schauen, was können wir an Methodik und Politikansätzen übernehmen ohne zu kopieren. Glaubt uns keiner, wenn wir 1:1 übernehmen, zumal dies innerparteilich auch ein bissl Ärger geben dürfte.

Kurz am Ende:
Gesellschaftliche und inhaltliche Herausforderungen
-    Veränderungen in der Arbeitswelt
o    Politik insgesamt nicht darauf vorbereitet, wie mit Brüchen in der Erwerbsbiografie, jahrelangen Praktikas, häufigen Jobwechseln, Scheinselbsständigkeit, freiberuflich Tätigen usw. vor allem bei der Alterssicherung umzugehen ist – Sozialsysteme sind nur unzulänglich darauf vorbereitet und wir als LINKE haben bisher keinerlei Antworten darauf
o    Soziale Verwerfungen Altersarmut, soziale Unsicherheiten usw. werden zunehmen
o    Hier für uns besondere Verantwortung
-    Demografie
o    In Brandenburg besonderes Problem und auch hier haben wir bisher keinerlei Antworten
o    Wie gehen wir mit Dörfern um, wo nur noch 5 Leute wohnen, die noch dazu alle im Rentenalter sind, da kommt kein Bäckerwagen mehr vorbei, der Konsum hat schon lange zu, was machen wir da? Wie ist gesundheitliche Versorgung sicher zu stellen, und wie die öffentliche Infrastruktur, Wasser, Abwasser, Strom…
o    Wie stehts mit gesundheitlicher Versorgung, öffentlicher Daseinsvorsorge usw.
o    Ist eine der Zukunftsfragen für Brandenburg – Leitbilddebatte
-    Zukunftschancen
o    Damit im Zusammenhang steht die ganze Frage der Zukunftschancen für junge BrandenburgerInnen – Arbeitsplätze, starke Wirtschaft, gute Bildung, Infrastruktur, Wohnumfeld
o    In den Städten zunehmend das Problem Wohnkosten, Mieten
All dies Probleme, die wir heute nur anreißen können, sie sind es aber, auf die wir Antworten brauchen, wenn wir langfristig Problemlösungskompetenz in diesem Land beweisen wollen und nur dann klappts auch mit den Mitgliedern und den Wählern.