Interview: „Ich bin sicher keine Hinterbänklerin“

Interview in der Märkischen Allgemeinen

 

Die Linke Andrea Johlige über Dallgow, Politik und ihren Ruf als „politische Dampfwalze“

Die Linke-Kreischefin Andrea Johlige legt im Dezember wegen eines Umzugs ihr Mandat als Gemeindevertreterin in Dallgow nieder. Über ihre Bilanz sprach mit ihr Oliver Fischer.

MAZ: Frau Johlige, 2008 sind Sie Gemeindevertreterin geworden, um in Dallgow etwas zu bewegen. Woran sind Sie gescheitert?

Andrea Johlige: Die Verwaltung hat uns blockiert und wir hatten entscheidende Mehrheiten nicht.

Sie haben für drei große Projekte gekämpft: Ihre Fraktion wollte die Grundschule teilen, das Offizierskasino retten und zwei historische Villen zum Rathaus machen. Mit der CDU und der FDP hatten Sie auch die nötigen Verbündeten. Woran hat es gehakt?

Johlige: Wir hatten nie eine offizielle Zusammenarbeit vereinbart, aber es gab Absprachen. Aus unserer Sicht sind viele Projekte gescheitert, weil sich einige CDU- und FDP-Leute nicht an diese Absprachen gehalten haben. Dass die Teilung der Schule nicht zustande kam, muss man allerdings der Verwaltung ankreiden.

Was werfen Sie dem Bürgermeister vor?

Johlige: Seine Verwaltung hat mit allen Mitteln unliebsame Beschlüsse abgewendet. Wir haben entschieden, dass die Grundschule geteilt wird, aber der Bürgermeister hat den Beschluss nicht umgesetzt, so lange, bis die Teilung unmöglich wurde. Damit hat er sich über den politischen Willen hinweggesetzt.

Dafür hat Dallgow jetzt eine verlässliche Halbtagsschule.

Johlige: Aber die Legende, dass der Bürgermeister die nach Dallgow geholt hat, stimmt nicht. Unsere Fraktion wollte damals zwei Dinge: eine zweite Grundschule und dass diese zweite Schule eine verlässliche Halbtagsschule wird. Als wir den Antrag eingebracht haben, wussten 90 Prozent der Gemeindevertreter noch nicht einmal, was eine verlässliche Halbtagsgrundschule ist.

Der Antrag schien damals aber schlecht vorbereitet – die Zeit wäre für eine Schulteilung zu knapp gewesen.

Johlige: Dann hätte man die zweite Schule eben ein Jahr später gegründet. Da wären wir kompromissbereit gewesen. Wir hatten nur zu diesem Zeitpunkt schon gelernt, dass man in Dallgow immer Druck machen muss, um überhaupt etwas auf die Reihe zu bekommen. Unser Fehler war, dass wir nicht noch stärker auf die Umsetzung gedrängt haben.

Was haben Sie in Dallgow noch gelernt?

Johlige: Dass der politische Einfluss einer Gemeindevertretung geringer ist als man denkt. Die Verwaltung trifft Vorentscheidungen, die sich auch mit guten Argumenten nur schwer wegdiskutieren lassen. Und es gibt Lobbygruppen, von denen sich ein Teil der Gemeindevertreter beeinflussen lässt.

Haben Sie ein Beispiel?

Johlige: Im Streit um den Standort eines Neubaus für die Grundschule hat die Elternsprecherin ihre Vorstellung durchgedrückt – mit Verweis darauf, dass die Eltern es sich so wünschen. Die Gemeindevertreter sind dem gefolgt, obwohl es aus unserer Sicht bessere Lösungen gegeben hätte.

Mit einer konfrontativen Debatte sind Sie dagegen nicht angekommen. Vielleicht hätten Sie stattdessen lieber Gespräche führen sollen, etwa mit dem Bürgermeister.

Johlige: Die gab es, aber der Bürgermeister hat es uns an vielen Stellen schwer gemacht. Wir durften ohne seine Erlaubnis nicht mit Verwaltungsmitarbeitern reden und mussten um jede Akteneinsicht lange kämpfen. Zum Teil sind wir in unserer Arbeit behindert worden. Der Bürgermeister sollte mal darüber nachdenken, ob er einen Teil der Konfrontation mit solchen Dingen nicht selbst hervorruft.

Jemand hat Sie mal eine „politische Dampfwalze“ genannt. Können Sie damit leben?

Johlige (lacht laut): Ich kann damit gut leben. Es gibt verschiedene Politikertypen und ich bin sicher keine Hinterbänklerin. Es liegt in meinem Wesen, dass ich den Mund nicht halten kann, wenn mir etwas nicht passt. Ich finde generell, es ist sinnvoller, deutlich zu äußern, was man will – auch wenn man dadurch öfter mal eine Niederlage einstecken muss.

Beobachter unterstellen Ihnen mitunter, dass Ihnen die Provokation wichtiger ist als der politische Inhalt.

Johlige: Das stimmt aber nicht. Jeder mag Harmonie, und auch ich würde mich freuen, wenn alle meine Anträge ohne großen Streit beschlossen würden.

Sie haben den Sonderausschuss geleitet, der die Kostenexplosion am Sportparkgebäude aufklären sollte. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Johlige: Nein, damit kann man nicht zufrieden sein. Wir haben nicht alle Vorgänge aufklären können, weil gemauert wurde. Aber allen Beteiligten und Beobachtern dürfte deutlich geworden sein, dass in dem Projekt von Anfang an der Wurm drin war. Alle Seiten haben Fehler gemacht. Ich finde es nur eine Frechheit, dass der Bürgermeister versucht, der Gemeindevertretung den schwarzen Peter zuzuschieben, und dass er kurz nach dem gescheiterten Abwahlverfahren gesagt hat, er sei zufrieden mit dem „markanten Gebäude“. Da hätte ich mir mehr Demut gewünscht.

Sie sind Jürgen Hemberger deshalb scharf angegangen. Wer soll das künftig an Ihrer Stelle übernehmen?

Johlige: In der Gemeindevertretung haben viele gelernt, dass man kritisch sein muss. Meine Fraktion ist auf einem guten Weg. Vielleicht sind die verbleibenden zwei an einigen Stellen nicht so laut wie ich, aber sie werden ihre Positionen mit gleicher inhaltlicher Schärfe vertreten.

Haben Sie kein schlechtes Gewissen, weil Sie Ihre Partei alleine lassen? Das personelle Fundament der Dallgower Linken ist ja eher dünn.

Johlige: Ich habe für mich beschlossen, dass ich persönliche Entscheidungen nicht von der Politik abhängig mache. Niemand sollte sich für unersetzbar halten. Meine Fraktion wird weiter alle Unterstützung bekommen – und Nauen ist ja auch nicht so weit weg.

Weshalb ziehen Sie nach Nauen?

Johlige: Wir erfüllen uns den Traum, in einem alten, sanierten Fachwerkhaus zu leben.

Frau Johlige, vervollständigen Sie doch bitte folgende Satzanfänge. Dallgow ist für mich . . .

Johlige: . . . eine Gemeinde, in der ich gerne gewohnt habe. Und die zu wenig Kultur hat.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich . . .

Johlige: . . . Hartz IV abschaffen.

Ich färbe mir die Haare wieder rot, wenn . . .

Johlige: . . . ich Lust dazu habe.

In Nauen werde ich politisch . . .

Johlige: . . . weitermachen und mich stärker der Kreispolitik widmen.

Obwohl mein Mann in der FDP ist, werde ich den Liberalen nie beitreten, weil . . .

Johlige: . . . es kaum eine Partei gibt, die mir ferner steht.

Trotzdem haben Sie mit der FDP eng kooperiert. Ist Ihnen egal, wer für Ihre Vorschläge stimmt?

Johlige: In der Kommunalpolitik kommt es eher auf die Vernunft an als auf die politische Farbe. Wenn ich einen vernünftigen Inhalt habe, ist es mir tatsächlich relativ egal, wer dafür stimmt, so lange es etwas für die Bürger bewirkt.