Rede zum Haushalt – Kommunalfinanzen und Integrationsgelder

Haushaltsberatungen werden gemeinhin als Sternstunde des Parlaments bezeichnet. Ob das jetzt tatsächlich so ist, sei mal dahingestellt. Allerdings wird in den Verhandluungen darüber gesprochen, wofür im kommenden Jahr Geld da ist und wofür nicht. Insofern ist das tatsächich wichtig, was wir da machen. Ich habe zum Einzelplan 20 gesprochen und mich vor allem auf Kommunales und Integration konzentriert.

Der Redebeitrag ist hier im Video verfügbar (das ist ein Video der gesamten Debatte, mein Beitrag beginnt etwa bei min 14:20).

“Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Puh, ich würde dann jetzt mal wieder zum Einzelplan 20 und den dazugehörigen Gesetzen zurückkommen. Denn damit hatte die Rede, die wir gerade gehört haben, nicht irre viel zu tun.

Ich möchte aber mit einer allgemeinen Feststellung beginnen: Durch den ganzen Haushalt zieht sich, dass die Koalition den Rotstift dort ansetzt, wo das Land den Kommunen bisher unter die Arme gegriffen hat.
Ob beim Brand- und Katastrophenschutz, bei der Digitalisierung oder der Ambrosia-Bekämpfung – die Koalition kürzt auf Kosten der Kommunen. Dieses Muster setzt sich im Einzelplan 20 und in den im Zusammenhang zu behandelnden Gesetzen fort.

Damit bin ich beim Finanzausgleichsgesetz. Um 60 Millionen Euro 2022 und je 95 Millionen Euro in den Jahren 2023 und 2024 wird die kommunale Verbundmasse durch einen Vorwegabzug verringert. Das sind also 250 Millionen Euro in drei Jahren, die Sie den Kommunen entziehen. Und ja, meine Damen und Herren, ich weiß natürlich, dass die kommunalen Spitzenverbände diesem sogenannten Kompromiss zugestimmt haben. Wir wissen aber auch, dass nur einen Tag nach dem Kompromiss im Rahmen der regionalisierten Steuerschätzung herauskam, dass dem Land mehr als 150 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als noch einen Tag vorher behauptet. Und seit einer weiteren Steuerschätzung danach wissen wir, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war und das Land mit zusätzlichen Steuermehreinnahmen – 831 Millionen Euro in diesem und 571 Millionen Euro im kommenden Jahr – rechnen kann. Der erwähnte Vorwegabzug ist vor diesem Hintergrund nicht mit Mindereinnahmen des Landes zu begründen.

Auch wenn den Kommunen mit dem kommunalen Finanzausgleich im Jahr 2022 mehr Geld zur Verfügung steht als noch 2020, bleibt es dabei, dass das Land den Kommunen Geld entzieht – Geld, das die Kommunen für Investitionen, zur Überwindung der Coronakrise dringend bräuchten. Meine Damen und Herren, wir werden den Gesetzentwurf deshalb ablehnen. Dafür gibt es aber noch einen zweiten Grund: die vorgesehene Änderung bei der Berechnung der Teilschlüsselmasse. Danach wird gesetzlich festgeschrieben, dass der vorgesehene Mehrbelastungsausgleich erst nach der Bildung der Teilschlüsselmasse aus dem Anteil der Städte und Gemeinden entnommen wird. Und auch wenn dies „nur“ eine Anpassung an die gängige Praxis ist – übrigens ist bis heute die Frage offen, wieso hier in den vergangenen Jahren von der gesetzlich vorgeschriebenen Regelung abgewichen wurde -, bedeutet dies, dass die Städte und Gemeinden diese Last einseitig tragen.

Meine Damen und Herren, der zweite Gesetzentwurf, den wir hier mitbehandeln, ist das Gesetz zur Anpassung des kommunalen Rettungsschirms. Auch das ist für uns nicht zustimmungsfähig; hier werden wir uns allerdings enthalten. Der kommunale Rettungsschirm war gut und richtig. Damit erhalten die Gemeinden über den kommunalen Finanzausgleich zum anteiligen Ausgleich der kommunalen Steuermindereinnahmen Geld, um die finanziellen Auswirkungen der Covid-19- Pandemie abfedern zu können.

Nun argumentiert die Landesregierung, die befürchteten Einnahmeverluste der Kommunen seien nicht so hoch ausgefallen wie ursprünglich befürchtet, und deshalb sei es zu einer Überkompensation gekommen, die nun zu verhindern sei. Dies verkennt aber zwei nicht unwichtige Punkte. Erstens: Es ist noch nicht klar, ob die Einnahmeverluste in den kommenden Jahren nicht doch noch kommen, allein schon deswegen, da die Berechnungsgrundlage für die Gewerbesteuer zwei Jahre rückwirkend greift. Zweitens haben wir schon bei der Auflage des kommunalen Rettungsschirms darauf hingewiesen, dass er zusätzliche Ausgaben der Kommunen nicht ausreichend erfasst und es vor allem keine ausreichenden Hilfen für die kommunalen Eigenbetriebe, also kommunalen Kliniken, ÖPNV und Kultureinrichtungen, seitens des Landes gibt.

Diese möglicherweise noch folgenden Einnahmeverluste und vor allem die zusätzlichen Ausgaben lässt der Gesetzentwurf unberücksichtigt. Würde man dies alles berücksichtigen, wäre eine Überkompensation seitens des Landes zumindest fraglich. Deshalb werden wir uns zu diesem Gesetzentwurf enthalten.

Meine Damen und Herren, nun komme ich zum Haushalt, zum Einzelplan 20. Eingangs hatte ich schon gesagt: Es zieht sich durch den Haushalt, dass sich das Land aus den Unterstützungsleistungen für Kommunen zurückzieht. So ist es auch hier. Die Zuweisungen für die Unterstützung freiwilliger kommunaler Zusammenschlüsse werden um mehr als die Hälfte gekürzt. Eine Verabredung im Landtag nach der Absage der Kreisreform – wir erinnern uns – war: Das Land wird auch weiterhin freiwillige Zusammenschlüsse von Verwaltungseinheiten unterstützen und vor allem beim Abbau der Kassenkredite helfen, damit die Kommunen nach dem Zusammenschluss noch leistungsfähig sind. Es ist im Interesse des Landes, dass solche Zusammenschlüsse weiterhin stattfinden und durch die Förderung sichergestellt ist, dass die Kommunen dann auch handlungsfähig sind. Es ist insofern eine falsche Weichenstellung, diesen Haushaltstitel zusammenzustreichen. Deshalb beantragen wir hier eine Rücknahme der Kürzungen.

Meine Damen und Herren! Wir kritisieren auch die von Ihnen vorgesehene Kürzung bei der Entschuldung kreisangehöriger Kommunen in Höhe von 5 Millionen Euro und beantragen, diese Kürzung zurückzunehmen. Nach wie vor gibt es viele kreisangehörige Gemeinden, die sich in der Haushaltssicherung befinden. Zur Unterstützung dieser Kommunen beim Abbau ihrer Schulden plante das Land ein Entschuldungsprogramm im Umfang von 50 Millionen Euro in mehreren Jahresscheiben. Diese werden nun für die Jahre 2022 und 2023 um jeweils 5 Millionen Euro gekürzt. Dabei hat doch gerade die Teilentschuldung der drei hochverschuldeten kreisfreien Städte Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) gezeigt, dass die Finanzlage mit diesem Instrument nachhaltig verbessert werden kann. Die von Ihnen vorgenommene Kürzung gefährdet das Ziel, kreisangehörige Gemeinden nachhaltig beim Schuldenabbau zu unterstützen. Auch das ist eine falsche Weichenstellung, denn wir haben in Brandenburg Gemeinden, die ohne Hilfe beim Schuldenabbau nicht dauerhaft leistungsfähig sein werden. Auch hierzu haben wir deshalb einen Änderungsantrag vorgelegt.

Meine Damen und Herren, nun komme ich zum letzten Komplex meiner Rede. Es wird niemanden überraschen, dass das die im Einzelplan 20 verankerten Gelder für die Integration sind. Wir erinnern uns an den Beginn der Debatte: Die Landesregierung wollte die Migrationssozialarbeit für anerkannte Geflüchtete um ein Drittel kürzen und das Integrationsbudget ganz abschaffen. Letzteres ist übrigens auch eine Aufgabe, bei der das Land die Kommunen unterstützt – das passte also ins Bild.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Koalitionsfraktionen diese Kürzungen zu einem guten Teil zurückgenommen haben, wenn auch nicht ganz freiwillig. Es gab zwei Entwicklungen, die dies erzwungen haben.
Einerseits gab es eine starke Bewegung aus Trägern, Verbänden, Initiativen und Kommunen – ja, Herr Keller, auch von der Linksfraktion im Landtag unterstützt -, die gegen diese Kürzungen monatelang Sturm gelaufen sind.
Die Beteiligten haben immer wieder klar gemacht, dass dieser Kahlschlag fahrlässig und kurzsichtig wäre. Ich fürchte nur, meine Damen und Herren, dass dieser Widerstand allein nicht ausgereicht hätte.

Es kam etwas Zweites hinzu. Leider ist Minister Stübgen jetzt nicht mehr hier – vielleicht kann Herr Bretz ihm das übermitteln. Es waren das Agieren des Innenministers und die Überdramatisierung der Flüchtlingszugänge, die dann erst zum Einlenken der Koalitionsfraktionen geführt haben. Die Dramatisierung der Situation an der Grenze von Brandenburg zu Polen, der Situation in der Erstaufnahme hat nämlich die Kommunen auf den Plan gerufen. Die haben gesagt: Wenn die Lage so dramatisch ist und wir jetzt wieder deutlich mehr Geflüchtete aufnehmen sollen, geht das nicht, wenn ihr uns gleichzeitig die Integrationsgelder kürzt. – Und da selbst die CDU verstanden hat, dass die Flüchtlingsaufnahme ohne die Kommunen schwierig wird, gab es dann endlich ein Einlenken. Insofern war es letztlich der Innenminister, der uns mit seiner Selbstprofilierung die Integrationsgelder gerettet hat. Ich tue das nur selten, aber an dieser Stelle muss ich ihn wirklich einmal loben.

Meine Damen und Herren! Ich hätte mich sehr gefreut, wenn die Koalition das Integrationsbudget tatsächlich wieder in voller Höhe eingestellt hätte. So war es nur ein halbes Einlenken. Da wurde schnell ein kommunaler Eigenanteil von 30 % erfunden, ohne dass irgendjemand einmal darüber nachgedacht hätte, welche Folgen das hat. Und nebenbei bemerkt ist es damit – das habe ich heute Morgen schon erwähnt – doch wieder eine Kürzung um 30 %.

Dieser Eigenanteil macht jetzt aber massive Probleme. Er konnte nicht in den Kreishaushalten berücksichtigt werden, weil es bisher keine Grundlage dafür gab. Und die Kreishaushalte sind zum Großteil schon beschlossen. Es gibt auch noch keine Richtlinie. Die letzte kam erst im April 2021 und war ein Wunderwerk der Bürokratie. Wir sind gespannt, wann wir dieses Mal damit rechnen können und ob die Kritik der Kommunen aufgenommen wird, dass die Richtlinie völlig überbürokratisiert ist. Mit dem zusätzlichen Eigenanteil steht im Übrigen zu befürchten, dass sie weiter bürokratisiert wird.

Meine Damen und Herren, das führt dazu, dass eine nahtlose Anschlussfinanzierung der Projekte nicht zu machen sein wird. Und Sie schaffen weitere Verunsicherung, Frau Nonnemacher, wenn Ihr Staatssekretär im Integrationsbeirat erklärt, das Geld sei künftig auch für Investitionen einsetzbar. Dass da bei den Trägern sofort die Sorge entsteht, dass das Geld in manchen Landkreisen künftig eher für die Ausstattung und den Bau von Flüchtlingsunterkünften statt für die Integration eingesetzt wird, verwundert nicht. Der eine oder andere wird wissen, welche Landkreise ich damit meine.

So wurde aus einem ursprünglich gut funktionierenden, gesetzlich verankerten Instrument – damals noch Integrationspauschale genannt – erst ein Förderprogramm, das mit einer unfassbar überbürokratisierten Richtlinie versehen wurde, die kaum anders zu deuten ist als so, dass man wollte, dass das Geld nicht abfließt. Dann wurde der Versuch unternommen, es gänzlich abzuschaffen. Als klar wurde, dass das politisch nicht durchzuhalten ist, wurde ein nicht durchdachter Eigenanteil erfunden und auch noch – das sagen zumindest Gerüchte – eine Ausweitung des Verwendungszwecks vorgenommen. Dieses Agieren gefährdet die mühsam aufgebauten Strukturen der  Integrationsarbeit. Ich kann nur sagen: Frau Nonnemacher, Sie haben in der Integrationsarbeit jetzt wirklich genug Schaden angerichtet. Ich hoffe sehr, dass wir in den kommenden Jahren nicht mehr darüber reden müssen, sondern die Verabredungen, die Sie angekündigt haben, tatsächlich gelten, dass die Gelder nun bis 2024 gesichert sind und es bei den Instrumenten in der derzeitigen Form bleibt.

Eine letzte Bemerkung – da spanne ich den Bogen wieder zu den Kommunen und dem, was ich eingangs sagte: Sie wollten auch im Bereich Integration den Rotstift bei der Unterstützung für die Kommunen ansetzen. Es ist gut, dass Ihnen das zumindest in diesem Bereich nicht vollständig gelungen ist. Und, meine Damen und Herren, wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen, können Sie dafür sorgen, dass bei den Kommunen noch ein bisschen weniger gespart wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.”