Rede im Landtag zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen

Am zweiten Plenartag im Juli 2015 fand eine Debatte zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen statt. Meine Rede zu dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der in den Sozialausschuss überwiesen wurde, dokumentiere ich hier:

Die Rede gibt es auch als Video vom RBB.

“Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste,

zur Fluchterfahrung der bei uns Hilfe suchenden Menschen gehören Verfolgung, Gewalt, Folter und Krieg, Trennung oder Verlust von Familienangehörigen, das Überleben in lebensbedrohlichen Situationen. Am Ende der Flucht-Odyssee kommen ca. 30 bis 40 Prozent der Geflüchteten traumatisiert und mit psychischen Störungen oder Erkrankungen bei uns an. Für sie ist es wichtig, dass angemessene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Die EU-Aufnahmerichtlinie legt fest, dass es die Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die spezielle Situation und die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen. Zu diesem Personenkreis der besonders Schutzbedürftigen gehören Flüchtlinge mit psychischen Erkrankungen oder Traumatisierungen.

Das Brandenburger Gesundheitsministerium hat bereits 2013 ein Konzept und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen im Land Brandenburg entwickelt. Hier ist formuliert (ich zitiere):

„Ziel ist die Verbesserung des vorhandenen dezentralen Angebots im Land Brandenburg zur Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen und Traumatisierungen von Flüchtlingen. Dabei sollen keine neuen medizinischen Strukturen geschaffen, sondern die vorhandenen stärker als bisher unterstützt und auf die spezielle Zielgruppe ausgerichtet werden.“

Diesen Ansatz unterstützen wir. Neben den niedergelassenen Psychiatern und Psychotherapeuten in den Landkreisen und kreisfreien Städten übernehmen die psychiatrischen Abteilungen und Fachkliniken des Landes unter bestimmten Bedingungen die ambulante Behandlung im Rahmen der Psychiatrischen Institutsambulanzen. Diese halten ein multiprofessionelles Team vor, zu dem Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Fachpflegekräfte sowie Mitarbeiter der Kunst- und Ergotherapie sowie Körper- und Bewegungstherapie gehören. Einer zentralen Anlaufstelle für traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer kann dabei eine wichtige Rolle als Beratungs-, Clearing- und Vermittlungsinstitution zukommen.

In den vergangenen drei Jahren hat die vom KommMit e.V.in Fürstenwalde betriebene Behandlungsstelle für traumatisierte Flüchtlinge diese Aufgabe mit übernommen. Die Finanzierung erfolgte aus Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds. Vor wenigen Wochen hat der Verein nun die Mitteilung erhalten, dass keine Anschlussförderung aus dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verwalteten europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds erfolgt. Die in diesen Fonds eingestellten Gelder reichen bei weitem nicht aus, weshalb nur 25 Prozent der Anträge bewilligt werden konnten. Auch andere ostdeutsche psychosoziale Zentren sind leer ausgegangen, weil vorrangig länderübergreifend oder bundesweit tätige Projekte berücksichtigt wurden. Hier ist der Bund dringend in der Pflicht, die entsprechenden Mittel aufzustocken.

Frau Ministerin Golze hat hier sehr schnell reagiert und kurzfristig 40.000 Euro aus Lottomitteln zur Verfügung gestellt, damit diese wichtige Arbeit zunächst bis zum Jahresende weiter gehen kann. Vielen Dank dafür.

Eine wachsende Zahl von Flüchtlingen geht einher mit einer steigenden Zahl traumatisierter Asylsuchender und führt zwangsläufig zu weitergehenden Anforderungen. Derzeit sind die Regelsysteme der psychosozialen Arbeit jedoch nicht ausreichend auf die Versorgung einer wachsenden Zahl von Asylsuchenden und Flüchtlingen vorbereitet.

Und es gibt noch weitere Probleme:

  • Dazu gehört, dass Asylsuchende nur Anspruch auf ein eingeschränktes medizinisches Leistungsspektrum im Sinne einer Akutversorgung haben. Das kritisieren wir schon lange, kann aber nur auf Bundesebene geändert werden.
  • Und dazu gehört die Sprachmittlung. Fehlende Deutschkenntnisse behindern bzw. verhindern eine Psychotherapie. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Auch hier ist der Bund in der Pflicht, entsprechende Dolmetscherleistungen für die psychotherapeutische Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu finanzieren.

Meine Damen und Herren,

die Landesregierung arbeitet gegenwärtig an einer Novellierung des Landesaufnahmegesetzes. Einige Punkte des hier vorliegenden Antrages berühren direkt oder indirekt die Regelungen dieser Novelle, bspw. die Forderung, eine effektive psychosoziale Arbeit in den Gemeinschaftsunterkünften der Flüchtlinge zu ermöglichen und den Betreuungsschlüssel der SozialarbeiterInnen auf 1:80 abzusenken. Auch die Anforderungen an die Finanzierung von Behandlungsstellen für traumatisierte Flüchtlinge kann in diesem Zusammenhang besprochen werden.

Deshalb würden wir die im Antrag aufgeworfenen Fragen gern im Komplex mit dem Landesaufnahmegesetz diskutieren und unterstützen die Überweisung in den Fachausschuss. Und ich darf hinzufügen: Ich freue mich auf diese Debatte im Ausschuss. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit."