Virtuelle Sprechstunde für Kunst- und Kulturschaffende – Corona-Hilfe für Soloselbstständige nicht passgerecht

Da die Corona-bedingten Einschränkungen auch für uns Abgeordnete neue Wege erfordern, haben wir ein neues Format entwickelt: die virtuelle Sprechstunde. Besonders hart trifft der neuerliche Lockdown die Kunst- und Kulturbranche. Um mit betroffenen Personen aus dem Havelland und Brandenburg an der Havel ins Gespräch zu kommen, luden Christian Görke und ich zu unserer ersten virtuellen Sprechstunde per Videokonferenz ein.

Die Teilnehmenden kamen aus verschiedenen Bereichen: neben einer Hula-Hoop-Artistin, einer Schauspielerin und einer bildenden Künstlerin nahmen auch selbstständige Veranstaltungstechniker, eine Vertreterin der Veranstalter des Laut-und-bunt-Festivals, der Inhaber einer kulturellen Veranstaltungsstätte und der Leiter des Kulturbüros in Rathenow teil.  

Von den Teilnehmenden der Kunst und Kulturbranche wurde insbesondere Kritik an der unzureichenden Unterstützung für Solo-Selbstständige geübt. Diese sei oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Da die Soforthilfe nur für Betriebskosten, aber nicht für die Lebenshaltungskosten beantragt werden konnte, blieben viele Künstler*innen außen vor, da sie meist nur geringe Betriebskosten haben. Und selbst wenn die Soforthilfe geflossen ist, ist nach wie vor nicht geklärt, ob diese teilweise zurück gezahlt werden muss.  

So erging es auch den teilnehmenden Künstlerinnen, die durch den ersten Lockdown im Frühjahr einen starken Einnahmeausfall hinnehmen mussten. Auch vom jetzigen Teil-Lockdown sind sie wieder betroffen.

Sie machten deutlich, was sie alles versucht haben, um irgendwie über die Runden zu kommen: neue Projekte, die unter Corona-Bedingungen funktionieren könnten, die Arbeit, wo immer es geht irgendwie fortsetzen, Fördermittel beantragen, Anträge für jedes Hilfsprogramm schreiben, das aufgelegt wird… Bei den Anträgen haben einige resigniert. Zu kompliziert, ohne Steuerberater, der auch wieder Geld kostet, nicht zu schaffen, zumal die Erfolgschancen nicht immer gegeben sind. Und Hartz IV beantragen? Nunja, nicht wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Zumal nicht bei allen die Voraussetzungen vorliegen, wenn der Lebenspartner verdient bspw.

Auch den Vertretern aus der Veranstaltungswirtschaft erging es nicht wesentlich besser. Zwar griffen hier die Soforthilfen, der Sommer konnte aber nicht kompensieren, was im Frühjahr nicht stattgefunden hat und die erneuten Einschränkungen bedeuten wieder Ausfälle. Da wäre es wichtig, dass sehr schnell die versprochenen November-Hilfen fließen. Immerhin können diese jetzt beantragt werden. Doch wann das Geld kommt? Mit einem Geldeingang noch in diesem Jahr rechnet jedenfalls niemand ernsthaft. Und so bleibt den Betroffenen nur, sich durch die Familie helfen zu lassen oder sich irgendwie anders über Wasser zu halten. Denn die Betriebskosten laufen ja weiter und zum Leben brauchen die Betroffenen auch etwas.

Die Sprechstunde hat mir deutlich gemacht, dass unsere Einschätzung stimmt, dass gerade in der Kulturbranche viele Menschen durchs Netz fallen und durch die Hilfspakete nicht oder nur unzureichend erreicht werden. Wir haben als Landtagsfraktion seit dem Frühjahr gefordert, weitergehende Maßnahmen seitens des Landes zu ergreifen. Das Geld wäre da, von den für die Bewältigung der Corona-Krise durch den Landtag ermöglichten Kreditermächtigung über 2 Mrd. Euro sind nur 800 Mio. Euro abgerufen worden. 1,2 Mrd. Euro stünden also zur Verfügung, um die sozialen Lasten abzufedern. Wir haben diverse Maßnahmen, bspw. auch einen Unternehmerlohn für Soloselbstständige vorgeschlagen. Die Koalition aus SPD, CDU und Grünen hat bisher alles abgelehnt. Das Land ruht sich auf den Bundeshilfen aus und ist nicht bereit, darüber hinaus gehend ernsthaft etwas zu tun. Damit werden Tausende Menschen in den Ruin getrieben, ohne irgendetwas dafür zu können.

Wir haben mit den Teilnehmer*innen verabredet, dass wir im Januar eine weitere solche Sprechstunde durchführen. Für uns war es sehr wichtig, hautnah zu erfahren, wie die Auswirkungen für die Betroffenen sind und wir werden diese Erkenntnisse in unsere Arbeit im Landtag einbeziehen.

Der Presse haben wir nach der Sprechstunde folgendes in einer Pressemitteilung mitgeteilt:

„Der Landtagsabgeordnete Christian Görke stellte fest, dass die Hilfen oft nicht passgerecht gewesen seien. Insbesondere kritisierte er die Kenia-Koalition, weil sie zu langsam handle und zu wenig Geld für den Kultursektor bereitstelle. „Die Landesregierung nimmt einen Kredit von zwei Milliarden Euro auf und schöpft dann nur 800 Millionen davon aus, das versteht keiner,“ so Görke.

 „Es ist nicht hinnehmbar, dass vor allem die Solo-Selbständigen in der Corona-Krise von ihren Ersparnissen leben müssen“ kritisierte Andrea Johlige. Die Linksfraktion im Landtag Brandenburg plädiert dafür, für die Dauer der Corona-Krise einen Unternehmerlohn für Selbstständige von 1200 Euro einzuführen. Dieser würde vielen Betroffenen in der Kulturbranche über diese schwierige Zeit helfen, so die beiden havelländischen Abgeordneten Johlige und Görke.“