Eröffnung des Aktionstags für Akzeptanz und gegen Homophobie in der Heinz-Sielmann-Oberschule in Elstal

Heute findet in der Heinz-Sielmann-Oberschule in Elstal der jährliche Aktionstag für Akzeptanz und gegen Homophobie statt. Hier informieren sich Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse über sexuelle Vielfalt und kommen mit Partner*innen wie der Aids-Hilfe und lesbischwulen Initiativen ins Gespräch. Ich durfte zu Beginn des Tages zu den Schüler*innen sprechen. Meine Rede dazu ist hier dokumentiert:

„Es ist gar nicht so lange her, da wurde Homosexualität noch offiziell als psychische Krankheit eingestuft. Am 17. Mai 1990, also vor 29 Jahren, beschloss die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität von der Liste der Krankheiten zu streichen. Seit 2005 wird dieser Tag jährlich als Internationaler Tag gegen Homo- und Transphobie begangen. Dass eine Schule einen Aktionstag gegen Homophobie in jedem Jahr begeht, ist in Brandenburg einmalig und deshalb ist es mir eine besondere Freude, diesen Tag hier mit zu gestalten und eröffnen zu dürfen.

Seit 1990, also seitdem Homosexualität nicht mehr als Krankheit gilt, hat sich extrem viel geändert. Erst 1994 wurde der Strafparagraph 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, abgeschafft. Und erst 2007 – also noch einmal 13 Jahre später – wurden die Urteile, die auf Basis des Paragraphen gefällt worden sind, als unrecht anerkannt und die knapp 5000 noch lebenden Betroffenen entschädigt.

Die Situation für Schwule und Lesben ist mittlerweile in Deutschland und natürlich auch in Brandenburg deutlich besser als noch vor 10 oder 20 Jahren. Homosexualität ist viel sichtbarer, es gibt Beratungs- und Hilfsangebote, den CSD – also den Christopher Street Day, den Tag an dem Lesben, Schwule und Bisexuelle für ihre Rechte auf die Straße gehen und eine großartige Party feiern, gibt es mittlerweile nicht nur in Berlin und Köln, sondern auch in vielen kleineren Städten, in diesem Jahr auch erstmals in Falkensee übrigens.

Auch die rechtliche Gleichstellung ist vorangegangen und mittlerweile hat der Bundestag die Home-Ehe eingeführt, das heißt, dass Lesben und Schwule jetzt heiraten dürfen und rechtlich der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt sind. Vorher hatte es mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft zwar die Chance gegeben, sich symbolisch das Ja-Wort zu geben, doch waren diese Paare in vielen Fragen benachteiligt.

Es hat sich also gerade in den letzten Jahren viel getan. Doch es ist noch lange nicht alles gut. Bspw. darf man jetzt zwar heiraten, aber eine gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ist nicht möglich.

Wenn wir ein wenig über die Grenzen Deutschlands schauen, sehen wir, dass es andernorts sehr viel schlimmer ist, in vielen anderen Ländern Homosexualität noch immer als ein Tabu gilt, Schwule und Lesben verfolgt und bestraft, teilweise eingesperrt und manchmal auch getöte werdent. Dennoch: auch heute müssen in Deutschland viele Lesben, Schwule, Inter- und Transsexuelle mit Diskriminierung und Vorurteilen kämpfen und Gewalt und Anfeindungen gehören nach wie vor zur Erfahrung vieler Schwulen und Lesben. Ihre stärkere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit empfinden einige Menschen als Provokation.

Und deshalb ist dieser Aktionstag heute so wichtig. Er soll informieren, soll Vorurteile abbauen, soll euch helfen, diejenigen zu verstehen, die anders lieben, als es vermeintlich normal ist. Man schätzt, aber so genau weiß das niemand, dass zwischen 5 und 10% der Menschen homo- und bisexuell sind, also Menschen des gleichen Geschlechts lieben oder beim Geschlecht einfach nicht festgelegt sind. Wenn ihr euch also hier umschaut, dann sind unter euch einige Mädchen, die Mädchen lieben und einige Jungs, die Jungs lieben. Einige wissen das vielleicht noch gar nicht, einige ahnen es bereits, trauen sich aber nicht darüber zu reden und andere haben es euch vielleicht schon offenbart. Mir ist wichtig, denjenigen unter euch, die das betrifft zu sagen: Hey, ihr seid völlig normal! Niemand kann sich aussuchen, in wen er sich verliebt. Liebe ist etwas unvorstellbar Schönes. Es ist füreinander da sein, Zeit miteinander verbringen, gemeinsam durch einen Teil des Lebens gehen. Es ist miteinander traurig sein, miteinander lachen, zärtlich miteinander sein und auch Sex miteinander zu haben. Und jede und jeder von euch hat das gleiche Recht, sich die- oder denjenigen genau dafür auszusuchen. Das hat niemand zu bewerten. Niemand!

Und doch weiß ich, dass auch heute noch Redewendungen wie „schwule Sau“ oder Vorurteile wie „Lesben sind so hässlich, dass sie keinen Mann kriegen“ durch die Gegend schwirren. Und ich sage euch, damit fängt Homophobie, fängt Ausgrenzung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen an. Und ich kann euch nur alle dazu aufrufen, da sensibel zu sein und wenn so ein Satz fällt, zu sagen, nein! Ich will nicht, dass so geredet wird, weil ich weiß, dass es diejenigen, die lesbisch oder schwul sind, verletzt. Dass es ihnen das Leben schwer macht und dass es dazu führt, dass sie Angst haben, dazu zu stehen, wen sie lieben.

Könnt ihr euch das vorstellen wie das ist, wenn ihr schwer verliebt seid und niemandem sagen könnt, in wen, weil ihr Angst habt, verspottet oder ausgegrenzt zu werden? Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, wenn zwei sich lieben und sie das immer nur hinter verschlossenen Türen ausleben können, weil sie Angst haben, dass sie, wenn sie in der Öffentlichkeit Händchen halten oder sich küssen, ausgelacht, angefeindet oder gar angegriffen zu werden?

Und deshalb will ich schließen mit einem Aufruf an euch alle: Bitte informiert euch am heutigen Tag intensiv, nutzt die Chance, über Sexualität ins Gespräch zu kommen und die Vorurteile, die ihr vielleicht habt, abzubauen. Und vor allem, seid tolerant! Schafft ein Klima in eurer Schule, wo völlig klar ist, dass jede und jeder so sein darf und so sein soll, wie er wirklich ist. Ein Coming Out, also die Zeit, in der Lesben, Schwule und Bisexuelle ihre Sexualität ihrer Familie und ihren Freunden offenbaren, ist eine nicht ganz leichte. Helft euren Freundinnen und Freunden, wenn sie sich euch offenbaren, seid für sie da und zeigt ihnen, dass es scheißegal ist, in wen sie sich verlieben. Steht bei ihnen, wenn sich jemand über sie lustig macht oder sie anpöbelt. Seid einfach gute Freunde!

In diesem Sinne wünsche ich euch einen spannenden Tag!“